Claus Richters "Wishbook"

Von Las Vegas gelernt

Der Künstler und Autor Claus Richter entführt sein Publikum in eine Zauberwelt. Das Spiel mit Identitäten, Erwartungen, Wünschen und Trugbildern treibt er nun in seinem "Wishbook" virtuos weiter

Dass Claus Richter nicht nur ein guter Künstler ist, sondern auch ein pointierter Autor und Modekritiker, wissen Leserinnen und Leser von Monopol schon lange. Mit "Wishbook" legt Richter nun seine bisher umfangreichste Publikation vor. Das Spiel mit Identitäten, mit Erwartungen, Wünschen und Trugbildern, das die Mode kennzeichnet, führt im künstlerischen Werk Richters, übertragen auf eine Vielzahl Sujets, zu einer durchaus ernsthaften Spiegelung unserer Zeit. Obwohl es nicht selten Zerrspiegel, grelle Fassaden, rosa Krakenarme und blinkende Hinweispfeile sind, mit denen er uns in seine Zauberwelt entführt. Hier ist dann nichts, wie es scheint – und falls doch, entpuppt sich der schöne Schein bewusst als fabriziert: Man sieht da zum Beispiel Schrauben in billigen Holzlatten – was die Rückseiten von vielen Installationen Richters ebenso wichtig macht wie ihre bunten Fronten.

Claus Richter, geboren 1971 in Lippstadt, studierte 1994 bis 2003 an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach und lebt heute in Köln. Im Vorwort erklärt er, auf was sich diese Werkübersicht der Jahre 2005 bis 2020 formal bezieht: "Ein Wishbook war ein dicker Katalog, in den man als Kind seine Nase steckte, um zu überlegen, was man unbedingt zu Weihnachten haben will. Oder in dem man herumblätterte und sich in eine Warenwelt hineinträumte. In Deutschland hieß das Wishbook 'Quelle-Katalog'. In den USA gab es aber ebenso vor Weihnachten genau diese dicken Versandhaus­kataloge großer Unternehmen wie Sears, und die hießen dort Wishbook."

Ganze Doppelseiten zeigen Porträts des Künstlers als junger Mann: beim Basteln im elterlichen Wohnzimmer, beim Handpuppenspiel samt Bühnenbild aus Pappe und als verkleideter Roboter. Die leicht unscharfen, historischen Schnappschüsse machen Richters dezidierte Bezugnahme auf die eigene Kindheit deutlich, denn sein Werk schöpft inhaltlich wie ästhetisch aus jenem Fundus: Hier ist Platz für Muppets, Schlümpfe und Monster aus der "Sesamstraße", seine Werktitel sind mal Echos der wunderbar übertriebenen Versprechungen auf alten "Yps"-Titelseiten, mal imitieren sie den Sprachduktus amerikanischer Self-Help-Bücher, die für alles eine Lösung haben.

Dass sich in diese Erinnerungsarbeit bisweilen auch Melancholie mischt, ist klar. Namhafte internationale Galerien und Museen sind, so zeigen die hier dokumentierten 38 Ausstellungen selbstbewusst, dem Charme von Richters Installationen und Bilder­welten erlegen, so etwa das Museum Ludwig, das Migros Museum in Zürich, das Kunstmuseum Basel oder die Kölner Galerie Clages, die den Künstler vertritt. Neben Richters eigenen Beiträgen enthält das Buch Texte von Sibylle Berg, Jessica Janeiro Obernyer, Franziska von Erlinghoff und Michael Heymann. Nach der Lektüre hat man vielleicht nur noch einen Wunsch: die Kindheit des Claus Richter – sie möge niemals enden.