Ausstellung "Conflict, Time, Photography" in Essen

Vom Kriege

In Essen spürt das Museum Folkwang mit "Conflict, Time, Photography" den Kampfpausen der Weltgeschichte nach. Diese Schau ist das Beste, was der Fotografie seit Langem passiert ist

Als sich die Fotografen Adam Broomberg und Oliver Chanarin für den Irakkrieg akkreditierten, wussten sie, was sie als "eingebettete Journalisten" erwartete. Doch anstatt sich zu Helfern der Propagandaoffiziere zu machen, rollten sie sechs Meter unbelichtetes Fotopapier aus, das sie in einer Rolle bei sich trugen. Nur die Sonne war Zeugin der vorangegangenen Kampfhandlungen gewesen, nun sollte sie das Dokument einer Pause belichten. "Der Tag, an dem niemand starb" lautet der erklärende Zusatz zu der Konzeptarbeit, die Broomberg und Chanarin "Die Pressekonferenz, 9. Juni 2008" betitelten.

Im ersten Raum der Ausstellung "Conflict, Time, Photography" im Museum Folkwang – einer erweiterten Übernahme aus Londons Tate Modern – hängt dieses Dokument einer entmündigten Öffentlichkeit in der Abteilung "Momente später". Auch seine Nachbarn rühren an die Grenze, an der sich das Grauen in scheinbare Abwesenheit hüllt und doch nur allzu sichtbar ist. Etwa Don McCullins Bild eines amerikanischen Vietnamkriegssoldaten, der 1968 im Schock erstarrt ist.

Früher war es üblich, in Fotomagazinen die Belichtungszeit mit anzugeben. In Essen liegt der Fokus auf dem zeitlichen Abstand: Je weiter man in die Schau vordringt, desto mehr Zeit ist seit dem Todeswerk vergangen. Doch auch 100 Jahre später kann eine Landschaft im Morgengrauen noch ein Unort sein wie in Agata Madejskas schwelgerischen Großformaten: Sie reiste dorthin, wo im Ersten Weltkrieg Deserteure hingerichtet worden waren.

Diese Ausstellung ist das Beste, was der Fotografie seit Langem passiert ist. Ohne Hierarchie führt sie angewandte und künstlerische Fotografie wieder zusammen. Und siehe da: Sie sind sich seit jeher sehr nah. Als George N. Barnard wenige Monate nach den Gefechten die Schlachtfelder des amerikanischen Bürgerkriegs besuchte, überhöhte er die Landschaften behutsam symbolisch: Ein Tierschädel steht für den Ort, an dem General James B. McPherson im Juli 1864 von seinem Pferd geschossen wurde.