Porträts von schwulen Dads

Vater, Vater, Kind

Der belgische Fotograf Bart Heynen porträtiert schwule Väter in den USA. Sein Bildband "Dads" zeigt eine Welt ohne Mütter. Europäische Regenbogenfamilien werden sich deshalb in dem Buch nur bedingt wiederfinden

Am Tisch sitzen: drei Kinder, der Vater, die Leihmutter und die Eizellenspenderin. Die fröhlich lächelnden Erwachsenen tragen weiße T-Shirts, auf denen ihre Familienrollen mit schwarzen Buchstaben aufgedruckt sind: DAD, DONOR, SURROGATE. Der Vater möchte, dass seine drei Kinder wissen, wo sie herkommen und hat deswegen dieses Wochenende organisiert. Das schön ausgeleuchtete Bild triggert sicherlich Verfechter traditioneller Familienrollen, und es macht deutlich, wie sich das Wort "Familie" in den vergangen 20 Jahren geändert hat. Zuallererst ist es: ein fröhliches Foto fürs Familienalbum.
 
Das ist im Grunde das große Verdienst dieses Hochglanz-Fotobandes "Dads" von Bart Heynen . Der belgische Fotograf, der inzwischen mit seinem Partner und Co-Vater Robert mit den Zwillingen Ethan and Noah in Brooklyn lebt, ist vier Jahre lang durch die USA gereist. Er hat nicht nur Regenbogenväter an der hippen Ost- und Westküste fotografiert, sondern ist auch ins Hinterland von Alabama, Utah, Nebraska und Minnesota gefahren. Auch dort leben schwule Väter allein oder mit ihren Partnern. In kurzen Bildunterschriften hat er ihre Geschichten erzählt.
 
Da ist der Mormone Jeremy, der sich mit 27 Jahren von seiner Frau scheiden ließ und jetzt trotzdem regelmäßig mit Freund seine Kinder sieht. Da ist Jake, dessen Schwester starb und deren Sohn er jetzt aufzieht. Oder Sergej mit Anton, die so seltsam ernst in die Kamera schauen und sich inzwischen getrennt haben. Sergej zieht seine Tochter allein groß. Und schließlich die verrückte Geschichte von Elliot and Matthew, die das Kind großziehen, das Matthews Mutter ausgetragen hat, nachdem Elliots Schwester als Eizellen-Spenderin … aber die kleine Uma ist wirklich süß.

Wo ist deine Mutter?
 
Bei der Mehrzahl der Väter- und Familienporträts allerdings stehen nur die Vornamen daneben. Es treten auf: zwei asiatische Männer mit Kindern, zwei schwarze untersetzte Väter, zwei muskulöse und tätowierte Latinos und viele schlanke, weiße, sportliche Amerikaner mit engen, mit Papageien bedruckten Badehosen. Mütter kommen in den Bildern nur marginal vor. Das Buch heißt schließlich "Dads", es zeigt aber auch fast durchweg eine Welt ohne Mütter. Der Autor gab in Interviews zu, dass manchen Kindern im Buch es bis zum 18. Lebensjahr unmöglich sein wird, ihre biologische Mutter zu treffen.  
 
Der Fotograf arbeitet mit offenem Visier und thematisiert dieses schwierige Thema gleich zu Beginn seines schönen Textes am Ende des Buches. "Wo ist deine Mutter", werde sein Sohn Ethan oft gefragt. "Ich habe Papa und Daddy", sage er dann. Er weiß, dass er seinen Sohn dann zu einer Art Coming-out zwinge. Er wolle mit diesem Buch seinen Söhnen zeigen, dass sie nicht allein sind. Dass es andere Kinder im ganzen Land gibt, die nur zwei Väter haben. Wenn Ethan groß sei, wolle er "Papa oder Daddy" werden, steht an anderer Stelle. Auch Ethan wird seine Mutter nicht sehen, bis er 18 Jahre alt ist.
 
Beim Durchblättern wird dem europäischen Betrachter vor allem der große Unterschied zu europäischen Regenbogenfamilien auffallen, der sich nur durch das Familienrecht ergeben hat. Leihmutterschaft ist in Europa fast überall verboten. Vereinzelt gibt es zwar meist sehr reiche Schwule, die parallel zur US-amerikanischen Entwicklung ebenfalls durch Leihmutterschaft eine Familie gründen wollen. Doch der viel größere Teil europäischer Gaydads wird sich in dem Buch nur bedingt wiederfinden.

In Deutschland sind reine Väterfamilien die Ausnahme
 
Zum einen sind die meisten Regenbogenfamilien Mütterfamilien in Deutschland. Wenn Sie sich gegen eine anonyme Samenspende und für einen Regenbogenvater entscheiden, dann kommt auch der Vater oder die Väter "ins Bild". Reine Väterfamilien sind die Ausnahme, es sind schwule Paare, die Kinder adoptieren oder, noch häufiger, Pflegeeltern. In Berlin sind zwei Väter als Pflegeeltern sogar dezidiert bevorzugt, weil die Ämter derart gute Erfahrungen gemacht haben.
 
In den meisten Regenbogenfamilien-Konstellationen in Europa spielt die Mutter eine zentrale Rolle. In den Heymans Bildern wie auch in US-Regenbogenfamilien ist das anders. Dass es trotzdem stolze Väter sind, zeigen diese Bilder, auch wenn das manchmal wie ein Feuerwehrmann-Kalender für schwule Väter daherkommt. Aber im Sommer 2021, in dem Pride-Veranstaltungen in der ganzen Welt abgesagt wurden, ist das doch eine gute Nachricht.
 
In den schönsten Momenten gelingt das Einfangen eines ganz intimen Familienmomentes, eines unaufgeräumten Wohnzimmers, des Schminkens des Sohnes für Halloween oder, das wohl schönste Foto: Ein Selbstporträt von Bart Heynen mit Robert, wie sie zusammen mit den Zwillingen im Bett liegen und völlig erledigt schlafen. Die Kinder nehmen sich den größten Raum im Bett und im Bild. Mit der größten Selbstverständlichkeit.