Damien Hirst präsentierte sich in Leipzig als naiver Hobbymaler

Eine der ersten Business-Artists überhaupt war die Farmersfrau Grandma Moses. Erst als über 70-Jährige begann sie zu malen, verkaufte ihre Bilder auf Volksfesten zusammen mit selbst gemachten Marmeladen. Nachdem sie gemerkt hatte, dass die fröhlichen, auf Holzplatten gemalten Landschaften Gefallen fanden, zersägte sie vorhandene Motive, um mit höherer Stückzahl mehr Umsatz zu generieren. Mit 100 Jahren kam der Weltruhm für Grandma Moses. Ihr Leben lang betrachtete die gefeierte „Primitive“ diese Produktion vor allem als Beitrag zum Haushaltseinkommen. Ihrer Ansicht nach sollten nur diejenigen malen, die sonst kein Geld mit dem eigentlichen Business, der Arbeit auf dem Bauernhof, verdienen könnten, weil sie alt oder krank seien.

Damien Hirst ist inzwischen die Grandma Moses der Young British Artists. Oder eine Art Elke Sommer – ein malender Dazuverdiener, ein dunkler, pessimistischer allerdings. „Diese Bilder drehen sich um die Sterblichkeit, darum, dem Tod ins Auge zu sehen, vielleicht ihn zu verspotten, während meine vergangenen Arbeiten von Unsterblichkeit handelten“, kommentierte er seine Ausstellung „Dark Trees“ in der Galería Hilario Galguera. „Noch vor Kurzem glaubte ich, ewig zu leben.“

Die schockartige Erkenntnis der eigenen Endlichkeit führt bei anderen Leuten zum Shoppingzwang oder Kunstsammeln – bei Hirst in die Frührente. Weg von Formaldehyd, chromblitzenden Apothekerschränken, Dot-Paintings, Auktionsrekorden und Diamantenköpfen. Hin zu selbst gemachter Vanitasmalerei, die aussieht, als versuchte ein begabter Streber im Malkurs der Volkshochschule, Bacon oder Giacometti zu kanalisieren. Immer wieder tauchen auf dunklem Grund auch Referenzen auf das eigene Werk auf: Punkt, Schädel, Haifischgebiss.

Bereits bei der ersten Schau in der Londoner Wallace Collection im Herbst 2009 hatten Hirsts neue, ganz ohne Assistenten gefertigte Gemälde für schlimmste Kritikerhäme gesorgt. Doch dort waren sie im prunkvollen Ambiente zwischen alten Meistern zu bewundern. In der besenkammergroßen Leipziger Dependance seines mexikanischen Händlers sind sie auf sich gestellt – und lösen in ihrer Mittelmäßigkeit nur Ratlosigkeit aus. Keine Belustigung, keine Empörung, sondern die bange Frage, warum einer der größten Konzeptkünstler unserer Zeit sich mit solcher Ernsthaftigkeit einem Medium anvertraut, das er weder zu verstehen noch zu beherrschen scheint. Glaubt er an die Malerei? Bestimmt. Denn Hirsts Stümperhaftigkeit kann nur die eines reinen Toren sein. Die Referenzen auf seine malerischen Vorbilder (etwa die flüchtige, an Giacometti erinnernde Strichführung oder die Gitterlinien, die bei Bacon die Bildarchitektur bestimmen) wirken unbeholfen, die effekthascherischen Anleihen bei der Lichttechnik Ross Bleckners allzu offensichtlich.

Damien Hirsts Verehrung für die Malerei ist naiv, und er ist ein naiver Maler, dessen naive Werke ab 1,5 Millionen Euro zu haben sind. Später wird man diese Gemälde nicht zu seinem eigentlich souveränen Schaffen zählen, sondern als Hobby betrachten – von einem, der gerade mal nicht auf der eigenen Farm mithelfen konnte.

Galería Hilario Galguera, Leipzig, 16. Januar bis 6. Februar