Tech-Fashion

Das Chamäleonkleid

Die Kunst des Verschwindens: Die Designerin Ying Gao entwickelt Mode, die auf das Farbspektrum ihrer Umgebung reagiert. Ihr wandelbares Kleid ist eine poetische Form der Subversion

Als junge Menschen vor einigen Jahren begannen, sich möglichst normal und unscheinbar zu kleiden, wurde das als Abgesang auf die Extravaganzen des Hipsters im Speziellen und auf den Neoliberalismus im Allgemeinen gedeutet. "Normcore", so der Name der Anti-Fashion-Bewegung, entlarvte das Individualitätsversprechen der Digitalmoderne als hohle Ideologie.

Die in Montreal lebende Designerin und Pro­fessorin Ying Gao geht mit ihrem Projekt "Flowing Water, Standing Time" einen Schritt weiter, indem sie Mode entwickelt, die auf das Farbspektrum ihrer Umgebung reagiert. "Die Kleider sind in der Lage, die Farben in ihrer unmittelbaren Umgebung zu erkennen. Sie sind zugleich flüssig und chamäleonhaft. Sie alternieren zwischen dem, was sie sind, und dem, was sie werden können – und verkörpern damit die Komplexität, die allen Dingen eingeschrieben ist", sagt Ying Gao.

Und so ist ihre Tech-­Fashion zugleich als Kritik an digitalen Überwachungsmechanismen zu verstehen und als poetische Subversion.