Rückblick 2019

Das Häschen bleibt

Diese Hasen-Skulptur von Jeff Koons hat 2019 bei einer Auktion in New York mit knapp 91,1 Millionen Dollar (rund 81 Millionen Euro) einen Preisrekord für das Werk eines lebenden Künstlers erzielt
Foto: Uncredited/Christie’s Images Ltd./AP/dpa

Diese Hasen-Skulptur von Jeff Koons hat 2019 bei einer Auktion in New York mit knapp 91,1 Millionen Dollar (rund 81 Millionen Euro) einen Preisrekord für das Werk eines lebenden Künstlers erzielt

Der Kunstmarkt funktioniert ein bisschen wie die Debatten über Klimaschutz: Alle reden darüber, was jetzt ganz dringend anders werden muss, aber  es ändert sich … nichts

Das gefühlte Thema des Jahres im Kunstbetrieb war Diversität: Welche gesellschaftlichen Gruppen werden wie sichtbar, wie werden die Ressourcen verteilt? Vor allem was die Repräsentation von Frauen angeht, wurden einige symbolische Gesten medienwirksam diskutiert. So bestückte im April die Tate Britain in London ihre neue Sammlungspräsentation britischer Kunst nach 1945 ausschließlich mit Werken von Künstlerinnen: Bridget Riley statt David Hamilton, Monster Chetwynd statt Damien Hirst. Und das Baltimore Museum of Art hat im November angekündigt, im kommenden Jahr nur noch Werke von Frauen anzukaufen.

Der Betrieb ist erkennbar in Bewegung gekommen, und bei ersten Großausstellungen ist die Balance zwischen den Geschlechtern erreicht: Nicht nur auf einer kleinen Biennale wie der im indischen Kochi, sondern auch im Machtzentrum des Betriebs auf der diesjährigen Venedig-Biennale waren genauso viele Künstlerinnen wie Künstler in der Hauptausstellung vertreten.

Neue Aufmerksamkeit für afroamerikanische und afrikanische Künstler

Ebenfalls auf der Venedig-Biennale zeigte sich die neue Aufmerksamkeit für afroamerikanische und afrikanische Künstler. Arthur Jafa räumte einen Goldenen Löwen ab, El Anatsui und Lynette Yiadom-Boakye brillierten im ghanaischen Pavillon. Kunst von afrikanischen und afroamerikanischen Künstlerinnen und Künstlern wurde zum Markttrend ausgerufen, bei Auktionen zogen die Preise deutlich an. Sotheby’s gibt an, in diesem Jahr einen rund 20 Mal so hohen Umsatz mit Kunst aus Afrika gemacht zu haben wie vor 20 Jahren.

Den größten Hype-Faktor bekam – wie schon so oft – die Malerei zugesprochen. In Gefolge der Auktionsrekorde von Kerry James Marshall stiegen auch die Preise von Njideka Akunyili Crosby oder Henry Taylor. Aber: Das teuerste 2019 auktionierte Gemälde von Kerry James Marshall wurde für 18.488.000 Dollar zugeschlagen. Zum Vergleich: Das teuerste Werk eines lebenden Künstlers war knapp fünfmal so teuer: ein glänzender "Rabbit" von Jeff Koons aus dem Jahr 1986 erzielte mit absurden 91.075.000 Dollar einen neuen Rekord für ein Werk eines lebenden Künstlers. Damit gingen für das Hoppelhäschen mehr Dollar über den Tisch als für das teuerste jemals auktionierte Gemälde von Van Gogh.

Auf den Spitzenpositionen der Kunstcharts ändert sich kaum etwas

Der silberglänzend polierte, gesichtslose "Rabbit" ist die perfekte Metapher für eine bemerkenswerte Widerstandskraft der althergebrachten Machtverhältnisse. Auf den billigeren Plätzen mag eifriges Stühlerücken in Gang gekommen sein, aber auf den Spitzenpositionen der Kunstcharts ändert sich kaum etwas. Unter den 100 umsatzstärksten Künstlern auf Auktionen weltweit sind zwölf Frauen, die höchstplatzierten – Jenny Saville und Julie Mehretu – setzen jährlich nur ein Fünftel dessen um, was die höchstplatzierten Männer Jean-Michel Basquiat und Jeff Koons erzielen.

Was Auktionsverkäufe angeht, hatte Jeff Koons schon vor zehn Jahren den weltweiten Spitzenplatz inne, damals noch gefolgt von Takashi Murakami und Damien Hirst. Jetzt ist der Künstler Kaws der umsatzmäßig zweitstärkste lebende Künstler auf der Liste  – und angesichts dessen stupider Comic-Adaptionen wünscht man sich fast Hirsts Schmetterlinge und Murakamis bunte Atompilze zurück. Kaws setzt insgesamt über 900 Millionen Dollar jährlich auf Auktionen um. Ungefähr so viel Jahresumsatz hat auch Gagosian, eine von vier Mega-Galerien, die den Markt zunehmend beherrschen. So sehr wir uns also über die neue Vielfalt auf Biennalen und Messen freuen – das Geld mit der Kunst machen immer weniger.