David Salle über John Baldessari

"Man musste aufmerksam sein - Die Kunst konnte von überallher kommen"

John Baldessari "Kissing Series, Simone Palm Trees", 1975
Foto: Courtesy Sprüth Magers

John Baldessari "Kissing Series, Simone Palm Trees", 1975

Dass der Künstler David Salle mit 18 Jahren auf John Baldessari traf, nennt er den größten Glücksfall seines Lebens. Hier erinnert sich Salle an den verstorbenen Pionier der Konzeptkunst - und an einen Freund, der Postkarten mit "Kang-Guru" unterschrieb

John Baldessari war einer der Erfinder der Konzeptkunst. Sein Werk verband eine entspannte, südkalifornische, halbironische Attitüde mit einem bis dahin hauptsächlich intellektuellen Manöver. John hat nie die retinale Komponente von Kunst aufgegeben; seine Arbeit hatte eine visuelle Direktheit und diamantharten Witz. 

In den frühen 1970ern war er mein Lehrer und Mentor am California Institute of The Arts. Wir wurden und blieben Freunde bis zum Schluss. Johns Kurs hieß “Post Studio Art”, was alles bedeuten konnte, was man hineinlesen wollte. Er unterrichtete an Beispielen: Das ist, was ein Künstler tut, so findet er ein Thema, es ist eine Lebensart. Man musste aufmerksam sein – die Kunst konnte von überallher kommen. John hätte es niemals so ausgedrückt. Seine Aufgabe war nicht, zu erklären, sondern etwas zu bezeugen und zu tun.

John behandelte seine Studierenden wie Kollegen. Wir waren seine Helfer und sein Publikum. Studierende wurden für Johns frühe Videoarbeiten und Fotocollagen rekrutiert, auf beiden Seiten der Kamera. Für John zu arbeiten war unkompliziert und pragmatisch – wir sahen in Echtzeit, wie Kunst entsteht.

Aus der Provinzialität auf die große Bühne

John selbst kam mehr oder weniger aus dem Nichts, er hatte sich von High-School-Kursen in San Diego an die Spitze der CalArts und später der UCLA hochgearbeitet. Fast im Alleingang holte John die Kunstszene in Los Angeles aus der Provinzialität auf die globale Bühne. Er benutzte eine bildhafte Syntax, oft in visuellen Glamour gehüllt, um mit Scharfsinn und Humor philosophische Fragen zu stellen. Eine bestechende Kombination. Johns Werke konnten verwirrend und obskur sein, aber mit dem Alter machte sich sein Malerei-Hintergrund wieder stärker bemerkbar, und seine Arbeiten wurden opulenter.

Sein späterer Erfolg bescherte ihm einen Platz inmitten einer Handvoll Namen, die auch außerhalb der Kunstwelt gewürdigt werden. Seine Wort-Gemälde aus den späten 1960ern und frühen 1970ern sehen heute im Stil prophetisch und umwerfend schön aus. Sein Einfluss ist riesig und wird wahrscheinlich noch weiter wachsen.   

Nichts Menschliches überraschte ihn

Dass ich John mit 18 Jahren getroffen habe, war ein enormes Glück; es ist schwer vorstellbar, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich ihm nicht begegnet wäre. John war ungewöhnlich großzügig und gütig, und auch weise. Er ermutigte Weitblick und nichts Menschliches überraschte ihn. Er sagte mir immer: "Lang währt die Kunst, und das Leben auch.“ Wenn man mit ihm über mögliche Galeristen sprach, empfahl er, jemanden liebenswertes zu finden. "Du musst so oder so Zeit mit ihnen verbringen, also kannst du es genauso gut genießen." Ein weiterer Fall, bei dem er am Beispiel lehrte.

Er war ein enorm wichtiger Künstler, der diese Rolle leicht nahm. Ich habe nie gesehen, dass John seinen Sinn für Humor oder seine Menschlichkeit abgelegt hätte, obwohl ihm sein beachtlicher und wachsender Ruhm viel abverlangte. Ich habe (wie viele andere auch) oft Postkarten von ihm bekommen, wenn er für Ausstellungen auf Reisen war. Ich habe eine aus Australien, die nur mit "Kang-Guru“ unterschrieben ist.