Museumsporträt "In den Uffizien"

Der Herr Direktor wird's schon richten

Der Dokumentarfilm "In den Uffizien" porträtiert das berühmte florentinische Museum und ihren deutschen Direktor in meditativen Bildern. Die aktuelle Krise westlicher Museen wird dabei ausgeblendet 

Wissen ist nie unschuldig, sondern immer verbunden mit Strukturen der Macht. Der offenbare Zusammenhang von Aufklärung, Herrschaft und Schuld – vor Jahrzehnten vom französischen Philosophen Michel Foucault analysiert und dann vom postkolonialen Diskurs weitergetragen – zerrüttet derzeit die westlichen Museen. Wie sind unsere Sammlungen zustande gekommen? Welche Objekte sollten wir an Herkunftsgesellschaften zurückgeben? Welche dringend benötigten Sponsorengelder können wir noch guten Gewissens annehmen? Wie divers ist die Kunst und die Belegschaft? Wie rechtfertigen wir einen Ausstellungsbetrieb, der Ressourcen und Steuergelder verbraucht?

Florenz und die berühmte Kunstsammlung der Medici scheinen fern von all diesen anstrengenden Selbstbefragungen zu sein, diesen Eindruck bekommt man zumindest, wenn man "In den Uffizien" sieht, einen kontemplativen Dokumentarfilm von Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch, der jetzt in die Kinos kommt. Die Kamera bewegt sich genüsslich durch Säle und über Gemälde des Museums, verharrt bei Details, die Schönheit von Krakelee und Patina, chiaroscuro und sfumato. Es ist ein Film, der die Mitarbeitenden würdigt, die mit Sachverstand und Leidenschaft "ihr" Haus in Schuss halten und beschützen: Konservatorinnen, das Aufbauteam, die Aufsicht und vor allem: der Direktor. 

Das größte Problem des berühmten Museums scheint seine Beliebtheit, unter der es – ähnlich wie die toskanische Stadt selbst – zu zerbrechen droht. Vor der Pandemie musste das Museum jedes Jahr Millionen Besucherinnen und Besucher durch die Gänge schleusen. Vor Fragen der Vermittlung steht da zunächst einmal pures Crowd-Management. Der deutsche Museumschef Eike Schmidt, der seit 2015 die Uffizien leitet, hat da gute Arbeit geleistet. So hatte das Haus damals nicht einmal eine Website, heute ist es selbst bei TikTok präsent.

Unangenehmes wird ausgeblendet

Eike Schmidt hat unbestritten gute Ideen: Er verkauft NFTs von Werken aus der Sammlung, er will die Uffizien dezentralisieren, indem er Werke auch in toskanischen Dörfern zeigt, er möchte sakrale Kunst vermehrt wieder in Kirchen zeigen, und die Präsenz in den sozialen Medien soll die Besucherschaft schon verjüngt haben. "In den Uffizien" porträtiert den 53-Jährigen als findigen Kulturmanager, der durch die Gänge läuft, sein Team bei Laune hält, immer am Telefon hängt und am unaufgeräumten Schreibtisch Pläne ausheckt.

Doch diese Ehrfurcht vor der Macherrolle, die man bei bei Corinna Betz schon in ihrem Film "Gerhard Richter. Painting" beobachten konnte, wirkt aus der Zeit gefallen, zumal Unangenehmes wie etwa der fragwürdige Rückzieher Schmidts nach dem angekündigten Wechsel ins Kunsthistorische Museum Wien komplett ausgeblendet wird, obwohl er doch in die Zeit der Dreharbeiten gefallen sein muss. 

Dabei hätte Eike Schmidt sicher zu so vielen Debatten etwas Kluges sagen und am Beispiel vorführen können. Aber Betz und Sánchez Lansch haben sich dazu entschieden, ihr Publikum in Staunen zu versetzen. Die Bedingungen, unter denen heute eine Museum existiert, werden zwar nicht ganz verschwiegen, aber kommen nur als Herausforderung vor, die ein Direktor vom Format Schmidts zu lösen weiß. So wird seine Führung von Mitgliedern eines US-Fördervereins zwar gezeigt,  und auch die Eilfertigkeit, mit der Schmidt diesen Besuch behandelt, wird nicht versteckt. Dennoch erfahren wir nichts über die Finanzierung des Museum, über Abhängigkeiten von Kapital und Politik. 

Irritation aus der Gegenwartskunst

Irritation kommt lediglich aus der zeitgenössische Kunst. Wenn Gegenwartskünstlerinnen oder -künstler in kleinen Interventionen ihre Arbeiten in den Uffizien zeigen – auch das hat Eike Schmidt eingeführt –, kann das in Stress ausarten, wie am Aufbau einer Statue von Antony Gormley gezeigt wird, dessen Ansprüchen die Mitarbeiter, die die Auseinandersetzung mit lebenden Künstlern nicht gewöhnt sind, nicht gleich gerecht werden. Am Ende schreitet auch hier der Direktor beruhigend ein. 

Betz und Sánchez Lansch mögen der Meinung sein, dass das Tagesgeschäft läppisch ist im Angesicht der "ewigen" Renaissance-Kunstwerke. Dennoch zeigen sie einen geschäftigen Museumschef, der Entscheidungen trifft, und eine leidenschaftliche Belegschaft, die Entscheidungen ausführt. Was sie antreibt, darüber hätte man gern noch mehr erfahren.