Ehemaliges Ministerium für Staatssicherheit

In der Kantine des Bösen

Im ehemaligen Ministerium für Staatsicherheit (MfS) riecht es noch immer so sehr nach DDR, als sei hier seit 1989 nicht gelüftet worden. Tatsächlich ist der Plattenbau in Berlin-Lichtenberg seit der Wende nicht öffentlich zugänglich gewesen: Es ist eines der vielen Häuser im Osten, die voller Geschichte sind und doch dem Verfall preisgegeben werden.

Dem Künstler Thomas Kilpper ist es jetzt gelungen, Zugang zu dem Gebäude zu bekommen. Monatelang verhandelte er mit der Deutschen Bahn, dem heutigen Besitzer des Areals. Anfang Januar diesen Jahres bekam er dann die Erlaubnis für eine Kunstinstallation. Den „Fall Kurras“ gab es damals noch nicht – jetzt aber scheint Kilppers Ausstellung „State of Control“ aktueller denn je.
 
Sie beginnt im ersten Stock, in der ehemaligen Kantine des MfS. Dort hat Kilpper Bilder staatlicher Überwachung in den Linoleum-Fußboden eingeschrieben: ein schon von der Größe her beeindruckender Bodenschnitt auf 800 Quadratmetern Fläche. Als Vorlage dienten Zeitungsfotografien und Archivbilder, wobei sich Kilpper nicht allein auf die Geschichte der DDR beschränken wollte: Seine Motive reichen vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart, umfassen Deutschland und das Ausland, Opfer und Täter.
 
„Es hat immer wieder staatliche Überwachung gegeben und Wege, sie zu umgehen“, sagt Thomas Kilpper. „Daher geht es mir auch darum, den schmalen Grad zwischen Widerstand und Terrorismus zu zeigen. Ein Mann wie der Hitler-Attentäter Georg Elser galt damals als Terrorist, heute wird er als Widerstandsfigur beschrieben. In Debatten um die RAF werden die Begriffe dann noch diffuser verwendet, genauso wie aktuell beim Krieg gegen den 'Terror'. Ich denke, man braucht da präzisere Begrifflichkeiten.“
 
So schreitet man über die geschnitzten Konterfeis von Erich Mielke, Günter Guillaume und Willy Brandt genauso wie über Bilder von Nelson Mandela, Ulrike Meinhof oder Rosa Luxemburg. Zu assoziativen Clustern verdichtet, ergeben sie Erzählungen jenseits der offiziellen Geschichtsschreibung: Man sieht den französischen Philosophen Michel Foucault bei einer Vorlesung an der technischen Universität Berlin 1976. Darunter: ein Picknick-Idyll in der DDR. Daneben: Proteste gegen die Stationierung von Pershing-Raketen in den 80er Jahren. Und ein Stück weiter: ein Bild von Erich Mielke und seiner Gattin beim Tanz, aufgenommen im Ballsaal des MfS.
 
Fünf Wochen wird die Ausstellung zu sehen sein – was danach etwa mit den Bodenschnitten wird, ist völlig unklar. Ebenso offen ist die Zukunft des Gebäudes selbst, für das die Bahn seit Jahren nach einem Investor sucht. „Dieser Ort ist so etwas wie das Symbol des Bösen in der DDR. Niemand will damit identifiziert werden“, erzählt Marius Babias, der Kurator der Schau. „Wir haben bestimmt zehn prominente Kulturschaffende aus Ost und West gefragt, ob sie die Eröffnungsrede halten würden – aber nur Absagen bekommen.“ Es ist gut, dass Thomas Kilpper, 20 Jahre nach dem Mauerfall, einige Kratzer in die versteinerte Geschichte gehauen hat.
 

 
„State of Control“. Ehemaliges Ministerium für Staatssicherheit der DDR, Normannenstraße 19, Berlin-Lichtenberg, 20. Juni – 26. Juli 2009. Die Berliner Galerie Olaf Stüber zeigt ab 22. Juni eine Auswahl der in der Normannenstraße entstandenen Drucke auf Papier. Parallel dazu zeigt der Neue Berliner Kunstverein eine Retrospektive von Thomas Kilpper.