Ausstellung über Mensch-Maschinen

Das Fließband-Ich

Was, wenn wir nur noch Futter für die Seelen der Apparate sind? Die Ausstellung "Der montierte Mensch" im Essener Museum Folkwang zeigt, wie tief die Maschinen in uns stecken

Es ist nicht gerade angenehm, vom Essener Hauptbahnhof zum Museum Folkwang zu laufen. Es sind nur 15 Minuten, aber die verbringt man am Rande von vierspurigen Straßen, sucht vergeblich die nächste Ampel und atmet Feinstaub für eine ganze Woche. Alles hier sagt: Diese Stadt ist für Autos gemacht, nicht für dich, du lächerlicher Mensch auf zwei Beinen.

Das Folkwang mit seinem luftigen Foyer und dem schönen, klaren Neubau von Architekt David Chipperfield setzt dem Unbehagen eine angenehmere Variante der Moderne entgegen. Ein guter Ort also, um die gemeinsame Geschichte von Mensch, Maschine und Kunst umfassend aufzuarbeiten. "Die Maschine ist zu mehr geworden, als zu einer bloßen Ergänzung des Lebens. Sie ist tatsächlich ein Teil des menschlichen Lebens… womöglich sogar dessen Seele", sagte Francis Picabia schon 1915.

Und so beginnt "Der Montierte Mensch" mit den Avantgarden des frühen 20. Jahrhunderts, die das Maschinelle geradezu verschlingen und zu ihrer Essenz zu machen scheinen: mit den direkt in die Zukunft fliegenden futuristischen Bronzen eines Umberto Boccioni von 1913, mit den feinen geometrischen Maschinen-Zeichnungen des russischen Konstruktivisten El Lissitzky von 1923, mit dem properen, ganz aus Zylindern, Kugeln und seltsam kokettem Schnurrbart zusammengebauten "Mechaniker" von Fernand Léger von 1920.

Affinität von Maschinen, Krieg und Kunst

Dieses bestens bekannte, hier aber sehr schön aufgefächerte Stück Kunstgeschichte wird – Standortvorteil sei Dank - ergänzt von wirklich fantastischen Fotografien aus dem Archiv der Firma Krupp: ein vierteiliges Panorama von 1910 entfaltet beispielsweise den Blick auf die filigrane Struktur einer riesigen Montagehalle, die "Geschossdreherei", in der zahlreiche Arbeiter an Teilen werkeln, die sich bei genauerem Hinsehen als Granaten und andere Munition entpuppen. Das Serielle, das in der digitalen Ära immer noch gefeiert wird, wurde als Ästhetik der industriellen Produktion geboren, und die Affinität von Maschine, Krieg und Kunst war mit dem Ende der futuristischen Bewegung noch lange nicht vorbei.

Die Ausstellung verfolgt das Thema in vielen Verästelungen weiter, zeigt das maschinisierte Menschenbild des Faschismus und die psychedelischen Experimente der Fluxus-Künstler, hat ein Gespür für die Erotik des Maschinellen, wie beispielsweise in den prallen Objekten Konrad Klaphecks zu sehen, und reicht mit den surrealen Robotern von Bettina von Arnim oder den ironischen Küchenmaschinen-Kleidern von Helen Chadwick auch die weibliche Seite der Geschichte nach.

Vor diesem kunsthistorischen Panorama bekommt auch die Post-Internet-Generation in Gestalt von Ed Atkins, Avery Singer oder Jon Rafman einen reichen Resonanzraum. Wenn man schließlich Trevor Paglens flackernde Trainingsbilder für Künstliche Intelligenzen sieht, fragt man sich, wie eigentlich in Zukunft die Machtverhältnisse sein werden. Dass die Maschine nicht nur in unserer Hand, sondern in unserer Seele sitzt, wissen wir nun also seit 100 Jahren. Aber was, wenn wir nur noch Futter für die Seele der Maschine sind?