Medienschau

"Die große Entschleunigung ist nun weltweit zu spüren"

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Wolfgang Tillmans bricht eine Lanze für die Kunst, Architekt Kollhoff fordert eine Wende in der Berliner Stadtplanung, und "The Art Newspaper" registriert eine Verlangsamung des Ausstellungsbetriebs: Das ist unsere Presseschau am Montag

Porträt

Nina Siegal gratuliert in der "New York Times" Anselm Kiefer, der am Samstag 80 Jahre alt wurde, und hat sich in Amsterdam die Doppelausstellung des deutschen Künstlers im Stedelijk und Van-Gogh Museum angeschaut. "Kiefer sagte, dass seine Arbeit nicht dazu bestimmt ist, Politik oder ein bestimmtes Weltereignis darzustellen. Aber er verfolgt die aktuellen Ereignisse und sagte, dass er in letzter Zeit ein körperliches Gefühl der Bedrohung durch den Aufstieg rechtsgerichteter autoritärer Führungen sowohl in Deutschland als auch in den Vereinigten Staaten verspürt hat. 'Was jetzt dort geschieht, ist für mich eine Art Parallele', sagte er. Mit 80 Jahren scheint Kiefer nicht langsamer zu werden oder sich zurückzuhalten. 'Wenn ich male, male ich nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Körper', sagte er. Er fügte hinzu, dass er so viel über den Krieg weiß, 'dass es logisch ist, dass das durchkommt. Ich bin es, mein Körper, der es auf die Leinwand bringt. Es ist nicht dazu gedacht, die Leute zu warnen, aber ich hoffe, es ist eine Warnung'."

Interview

Laura Helena Wurth hat für die "FAS" anlässlich der Ausstellung "Weltraum" des Künstlers im Dresdner Albertinum mit Wolfgang Tillmans gesprochen. Natürlich geht es auch um Politik – und die Rolle, die Kunst dabei zukommt: "Dass Kunst eine enorme Wirkung hat, sieht man daran, dass Kultur immer das Erste ist, was man versucht, sich untertan zu machen. Es gab diesen tollen Moment, als ein Teenager Tino Chrupalla nach seinem Lieblingsgedicht fragte, nachdem dieser gesagt hatte, man müsse mehr deutsche Gedichte lesen, und er kein einziges nennen konnte. Man sieht also, dass, selbst wenn Kunst nicht so viele Zuschauer hat oder Leser, es trotzdem ein Bewusstsein dafür gibt, dass in ihr ein Teil der kollektiven Identität drinsteckt. Das wird auch – ich will jetzt mal dieses beliebte Wort 'verhandeln' benutzen – in Popkultur und Musik verhandelt, in Mode und Design. Kulturelle Erzeugnisse kann man in bestimmtem Maße auch nicht mehr rückgängig machen. Alles, was einmal produziert und veröffentlicht worden ist, kann nicht vollkommen ungeschehen gemacht werden." Tillmans erläutert außerdem seine Faszination für den Weltraum als Metapher: Er habe für ihn eine symbolische Bedeutung, die sich mit Fragen der Wahrnehmung und der Weltbeziehung verknüpft.

Museen

Viele Ausstellungshäuser müssen mit weniger Budget klarkommen, eine große Verlangsamung allerorten registriert "The Art Newspaper": Museen wie das V&A Dundee und das Carnegie Museum of Art hätten die Anzahl ihrer Ausstellungen reduziert, um das Besucherengagement zu verbessern und die Arbeitsbedingungen für ihr Personal zu optimieren, schreibt Anny Shaw. Das Carnegie Museum plant, seine Sammlungen regelmäßig neu zu präsentieren, um eine tiefere Auseinandersetzung mit Kunst zu ermöglichen. "Für Einrichtungen ohne Sammlungen ist die Aufgabe, mit einem geringeren Tempo zu arbeiten, wohl noch schwieriger. In Berlin wurden die Mittel für Kunst und Kultur in diesem Jahr um rund 12 % auf 130 Millionen Euro gekürzt. Institutionen wie der Gropius-Bau konnten ihren Ausstellungsbetrieb verlangsamen, aber Emma Enderby, die Direktorin der KW Institute for Contemporary Art, die keine Sammlung haben, steht vor einer schwierigen Entscheidung. Ihre Institution hat normalerweise drei Saisons pro Jahr mit drei Ausstellungen pro Saison. 'Die Frage ist, ob wir nächstes Jahr drei Saisons machen können oder ob wir die Anzahl der Ausstellungen pro Saison reduzieren können. In jedem Fall wird es ein reduziertes Ausstellungsprogramm geben', sagt sie und fügt hinzu, dass die Einrichtung durch die Streichung einer ganzen Saison 30.000 Besucher pro Jahr verlieren würde." Auch auf den Kunstmarkt geht Shaw ein: "Die Sammler werden wählerischer, wenn es um Kunstmessen und andere Live-Events geht, die sie besuchen. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage unter VIPs der Art Basel sank die Besucherzahl um 40 % auf durchschnittlich 51 Veranstaltungen pro Jahr im Jahr 2024, während sie vor der Pandemie bei 89 lag. Einige Messe- und andere Veranstaltungsorganisatoren versuchen, das Rad neu zu erfinden." Das alles könne auf eine Veränderung im Kunstmarkt hindeuten, in der weniger glamouröse Messen und Veranstaltungen Platz für intime und authentische Begegnungen mit Kunst und Künstlern machen, so die Hoffnung der Autorin.

Warum nicht Kunstwerke durch Kopien ersetzen? So könnten die Originale geschützt werden, überlegt Philipp Meier in der "NZZ". Es gäbe nur einen Haken: die Aura. "Die Magie des Originals sollte nicht unterschätzt werden. Oder genauer: der Zauber, den der Glauben an das Original bewirken kann. Das zeigte sich exemplarisch am Beispiel des 'Salvator MundiÄ, jenem Christus-Porträt, das Leonardo da Vinci gemalt haben soll und das 2017 auf einer Auktion den Erlös von 450 Millionen Dollar erbrachte. Die Besucher der Vorbesichtigungsausstellung in New York weinten vor dem Gemälde. Sie glaubten, ein wiederentdecktes Meisterwerk des Renaissance-Genies zu betrachten: im Original. Heute ist indes alles andere als sicher, ob es sich dabei um ein echtes Kunstwerk von Leonardo handelt. Damit aber ist auch der Zauber wieder verflogen." Über die immer wieder unterschätzte Macht Aura schrieb auch kürzlich Daniel Völzke in einem Monopol-Kommentar.

Architektur

Architekt Hans Kollhoff fordert in einem "FAZ"-Gastbeitrag für Berlin eine Wende im Planen und Bauen. Die Stadt leide seiner Ansicht nach unter einer Distanz zwischen Planern und Architekten und werde zunehmend von bürokratischen und wirtschaftlichen Überlegungen bestimmt, während die ästhetische und funktionale Bedeutung der Architektur vernachlässigt werde. "Am Flughafen Tempelhof bietet sich eine letzte Gelegenheit, noch einmal einen weltstädtischen, urbanen Stadtraum zu schaffen und dem unverhofften Hauptstadtglück Ausdruck zu verleihen. Vernünftigerweise müsste man nichts anderes machen, als das Rasenfeld mit einer Platanenallee zu rahmen und eine Front Berliner Wohnhäuser zu bauen, hoch verdichtet, mit einer attraktiven Nutzungsmischung im Erdgeschoss. Die architektonische Gestaltung kann sich auf die Fassade und die Eingangsbereiche konzentrieren, denn der Typus, die Parzellierung, die Traufhöhe und die Bauflucht wären ja gegeben."

Nikolaus Bernau kritisiert im "Tagesspiegel" den Entwurf für den vierten Flügel des Pergamonmuseums, den Oswald Mathias Ungers und – in der Fortsetzung – Jan Kleihues geplant haben. Trotz einiger Verbesserungen unter Kleihues bleibe die Architektur stark von Ungers' "rationalistischer" Formensprache geprägt, die Bernau als zu starr und unpassend für das Pergamonmuseum empfindet. Insbesondere der neue Eingangsbau, der "Tempietto", und der geplante vierte Flügel wirken aufgrund ihrer Monumentalität und strengen Formensprache im Widerspruch zur eleganten, historischen Architektur des Museums, das ursprünglich von Alfred Messel und Ludwig Hoffmann entworfen wurde. Bernau bemängelt, dass Ungers' Ansatz, eine "zeitlose" Architektur zu schaffen, zu einem "totalitären, antihistorischen" Design führt, das den historischen Kontext des Pergamonmuseums ignoriert. Er fordert, dass der Entwurf nochmals überarbeitet wird: "Kleihues muss noch mal rangehen, sich nicht mehr dem überlebten Mythos Ungers unterwerfen. Oder es sollte doch noch einmal über einen neuen Gestaltungswettbewerb wenigstens für den 'Vierten Flügel' nachgedacht werden."