Pionierin des deutschen Feminismus

Die Künstlerin Sarah Schumann ist tot

Sie schaute hinter die Fassaden der deutschen Wirtschaftswunderzeit und vereinte in ihrer Kunst Schönheit und Schrecken. Jetzt ist die Malerin Sarah Schumann im Alter von 85 Jahren gestorben

Die Malerin, Kuratorin und Essayistin Sarah Schumann ist im Alter von 85 Jahren in Berlin gestorben. Das teilte das Kölner Auktionshaus Van Ham mit, das seit 2018 das Werk der Künstlerin vertritt. Die Tochter des Bildhauerehepaars Kilian und Dora Schirmer wurde 1933 in Berlin geboren und gilt als eine der prägendsten Figuren der deutschen Nachkriegsmoderne. 

Mit 15 Jahren löste sie sich von ihrer Familie und heiratete den Galeristen Hans Brockstedt, von dem sie sich 1960 trennte und nach London zog. Dort änderte sie ihren Namen von Maria Brockstedt ihrem Künstlerpseudonym Sarah Schumann. Nach drei Jahren in London, wo sie David Sylvester und Roland Penrose kennenlernte und eine Ausstellung im ICA (Institute of Contemporary Arts) erhielt, verlagerte Schumann ihren Lebensmittelpunkt ins italienische Piemont und kehrte erst 1968 zurück nach Berlin, wo sie sich der feministischen Gruppe "Brot und Rosen" anschloss. 

Die Collage als Schock 

In den Anfängen ist ihr Werk durch den Surrealismus inspiriert, später entwickelt sie eine einprägsame Bildsprache, die ihre Landschaftsmalereien und Porträts immer mit etwas Geheimnisvollen durchzieht. Sie beschäftigt sich bereits in ihrer frühen Kindheit und Jugend mit den erschreckenden Kriegserlebnissen und den Existenzbedingungen im Nachkriegsdeutschland. Ihre fotografischen "Schock-Collagen" stellen schöne Frauen aus Illustrierten in bedrohlichen Szenerien dar und demontieren damit auch die Heile-Welt-Ästhetik der Wirtschaftswunderjahre. 

In den 1970er-Jahren ist Schumann als Mitorganisatorin und Kuratorin für die Ausstellung "Künstlerinnen international 1877-1977" verantwortlich. Bei dieser legendären und von Protesten begleiteten Ausstellung wurden erstmalig in Deutschland bedeutende Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts präsentiert, darunter Paula Modersohn-Becker, Frida Kahlo, Eva Hesse, Maria Lassnig, Mary Bauermeister, Ulrike Rosenbach und Diane Arbus.

Von Harun Farocki ins Bild gesetzt

1977 wurde sie mit einem Stipendium für die Villa Massimo ausgezeichnet. Ein Jahr später produzierte der Regisseur und Künstler Harun Farocki den Film "Ein Bild von Sarah Schumann" für den WDR, der sie filmisch beim Entstehungsprozess einer großen Bildcollage begleitet.

Ein literarisches Denkmal wurde ihr von ihrer Lebensgefährtin Silvia Bovenschen (1946-2017) gesetzt, mit der sie seit Mitte der 70er zusammen gelebt hatte. 2015 erschien deren Buch "Sarahs Gesetz", darin schreibt Bovenschen über Sarah Schumanns Kunst: "Ist die Liebe zum Bild nicht vergleichbar mit der zu einem Menschen und zwar in der Weise, dass mit das Beste ist, was man über ihn sagen kann: Ich habe mich keinen Moment mit diesem Menschen gelangweilt? Mit diesen Bildern, das weiß ich, wird man sich keinen Moment langweilen.“

Gemälde und Collagen von Sarah Schumann sind momentan in einer Gruppenausstellung im Frauenmuseum Bonn und ab 11. August 2019 in einer Einzelausstellung im Künstlerhaus Göttingen zu sehen.