Architekturausstellung: Louis Kahn

Die richtige Mischung

Kein schönes Wort: Brutalismus. Kaum ein anderes Label der jüngeren Architekturgeschichte klingt so unschön, auch wenn es, wie sein Urheber, der schwedische Architekt Hans Asplund 1955 behauptete, eigentlich mehr im Scherz entstanden war. Damit gemeint war die exzessive Verwendung von Sichtbeton – auf Französisch: béton brut – als Gestaltungselement. Aber in Zeiten, in denen über die Unwirtlichkeit der Städte nachgedacht wurde, schwang darin natürlich Kritik mit. Insofern ist Louis I. Kahn, geboren 1901 im estischen Kuressaare, Professor in Yale und Philadelphia, eindeutig Ungerechtigkeit widerfahren, gilt er doch als einer der Hauptvertreter der Richtung.

Kahn hat bis zu seinem 50. Lebensjahr fast nichts gebaut. Aber was danach kam, zählt zu der großartigsten Architektur des 20. Jahrhunderts. Sein Anbau für die Art Gallery der Yale University von 1953 ist im Vergleich mit allem, das in der Zeit sonst noch passierte, in seiner Radikalität schier atemberaubend: ein auf seiner Schauseite praktisch fensterloser Würfel, der neben dem neogotischen Hauptgebäude von 1832 garantiert keine Harmonie sucht. Aber wozu braucht ein Kunstmuseum auch Fenster?

Ein anderer grandioser Kahn-Entwurf, das Parlament in Dhaka, Bangladesch, sieht von Weitem aus wie eine monumentale Skulptur aus einem Comic. Kommt man jedoch näher, erkennt man auf der Fassade ein feines Netz aus horizontalen und vertikalen Linien, das über die kompliziert organisierte Baumasse gelegt ist und dem Ganzen unvermutete Eleganz verleiht.

So war das mit den meisten Bauten, die Louis Kahn errichtet hatte, bis er 1974 in New York starb: Was aus der Ferne grob und ungeschlacht wirkt, wird bei eingehender Betrachtung komplex, auf positive Art kompliziert und manchmal fast filigran.

Es ist also auch eine Form der Rehabilitation, wenn das Vitra Design Museum in Weil am Rhein die mit zahllosen Modellen, Zeichnungen, Fotos und Filmen umfangreichste Kahn-Retrospektive zeigt, die es bisher gegeben hat. 

Louis Kahn: "The Power of Architecture", Vitra Design Museum, Weil am Rhein, bis 11. August