"United by AIDS"-Ausstellung in Zürich

Die sinnstiftende Kraft der Kunst

Die "United by AIDS"-Ausstellung im Züricher Migros Museum erzählt von Angst, Isolation und künstlerischem Aktivismus in Zeiten des Schreckens

"Droht eine Pest?", fragte bang "Der Spiegel" 1983 in einer Titelgeschichte. "Wird Aids wie ein apokalyptischer Reiter auf schwarzem Ross über die Menschheit kommen? Ist eine moderne Seuche in Sicht, die sich zu Tod, Hunger und Krieg gesellen wird, wie einst im Mittelalter?" Man muss sich Originaldokumente aus frühen Tagen der Pandemie vor Augen führen, um das Ausmaß der Panik und Unverunsicherung zu verstehen. In der Gruppenausstellung "United by AIDS – An Exhibition about Loss, Remembrance, Activism and Art in Response to HIV/AIDS" im Züricher Migros Museum drückt eine Menge Kunstwerke aus dieser Zeit diesen Schrecken aus – aber geht doch weit darüber hinaus.

Schrecken nämlich führte zu Ausgrenzung. So schrieb "Der Spiegel" damals noch wie selbstverständlich von der "Homosexuellen-Seuche". Die Betroffenen hatten nicht allein mit dem Virus in ihrem Körper zu kämpfen, sondern auch mit dem Virus des Stigmas.

Im Migros Museum, das einen Schwerpunkt auf die 80er-Jahre in New York legt, erkennt man hingegen, dass der Schrecken auch in Aktivismus umschlagen und dabei bildnerische Kraft entwickeln konnte. Wer heute am Sinn von Kunst zweifelt, schöpft hier neuen Glauben: Werke von Keith Haring, Judith Bernstein, David Wojnarowicz und Nan Goldin schaffen Trost, stiften Gemeinschaft und setzen der ohnmächtigen Wut und der Leere eine Fülle entgegen.

Viele bekannte Arbeiten sind hier zu sehen, von General Ideas Aids-Tapete bis zu Donald Moffetts bitterer Anklage an den damaligen US-Präsi­denten Ronald Reagan, der die Ausbreitung des HI-Virus und die sozialen Folgen ignorierte: "He Kills Me." Ergreifend sind Arbeiten, in denen sich der Bezug zu dem Syndrom über den frühen Aids-Tod des Künstlers herstellt: die idyllische Malerei von Jochen Klein, Wohnzellen von Absalon, eine leere Bühne von Felix Gonzalez-Torres. Die Lücken, die der Virus gerissen hat, sind unfassbar. 35 Millionen Menschen starben bislang an den Folgen – ungelebte Leben, unbespielte Bühnen.

Heute, wo es zumindest in der westlichen Welt wirksamere Therapien und größere Akzeptanz gibt, gehen Künstlerinnen und Künstler das Thema anders an als in den aktivistischen 80ern: Die Arbeiten von Wolfgang Tillmans, Edward Thomasson oder dem Künstlerduo Real Madrid sind geprägt von Zärtlichkeit, Hoffnung und sogar Humor. Ein gutes Zeichen.