Vito Schnabel über die Bruce High Quality Foundation

Die Wandlung des Heiligen Bruce

Vito Schnabel, in der Ausstellung hängen 14 Siebdrucke, die den Anschlag vom 11. September 2001 in zeitlicher Folge zeigen – 14 Stationen, wie ein Kreuzweg. Wie religiös ist die Bruce High Quality Foundation?
Nun, die Kunst liegt im Auge des Betrachters, aber es gibt definitiv religiöse Bezüge. Für mich fühlt es sich wie eine sehr traurige Ausstellung an. Die Arbeiten beziehen sich aufeinander: der Kopierer, der Wasserspender, der Mülleimer. Ich denke an die Menschen, die in diesen Gebäuden verbrannten und daran, was sie taten, zehn Minuten bevor die Flugzeuge einschlugen: eine Kopie machen, aus dem Wasserspender trinken, etwas in den Papierkorb werfen. Dann gab es den Einschlag und sie sprangen aus den Gebäuden.

Auch Bruce High Quality starb am 11. September 2001.
Ja. Er sprang vom World Trade Center, bevor die Flugzeuge einschlugen.

Vorher?
Genau. Etwa zwei Minuten vorher.

Warum wollte er sich umbringen?
Er war Künstler, und er hatte es satt. Er konnte nicht mehr. Und so sprang er vom World Trade Center.

Die Bruces wollen nicht als Personen in Erscheinung treten, aber durch die Hintertür tun sie das doch, indem sie eine fiktive Person erfinden.
Sie sind anonym, weil sie den Nachlass von Bruce High Quality verwalten. Die Idee ist, dass jeder Bruce sein kann. Wenn man sich die Schaukästen ansieht, ist es egal, ob das John Lennon ist oder ein Typ im Strandsessel, der ein Bier trinkt. Oder ein Taliban. Alle bekommen die Bruce-Maske aufgesetzt, sie werden Bruce.

Wieviele Bruces gibt es?
Das kann man so nicht sagen. Es gibt einen Kern. Leute, mit denen sie auf die Cooper Union gegangen sind, Künstler, die sie schon lange kennen, die Teil eines Dialogs sind.  Sie würden mich dafür hassen, wenn ich Ihnen sagen würde, es gibt zwei oder drei oder sechs.

Sie repräsentieren die BHQF als Galerist, kann man das so sagen?
Ich organisiere und kuratiere Ausstellungen. Ich bin Händer, habe aber keinen permanenten Ausstellungsraum.

Zeitgleich mit dieser Ausstellung machen Sie eine Schau bei Acquavella in New York. Finden Sie die Räume für Ihre Ausstellungen oder finden die Sie?
Ich finde Sie. Ich arbeite mit verschiedenen Galerien zusammen. Die Idee, den richtigen Ort für die Arbeit eines bestimmten Künstlers zu finden, interessiert mich.

Reizt es Sie, junge Künstler in etablierten Galerien wie CFA und Acquavella zu zeigen, die prominent gelegen sind und schöne Räume haben?
Ich glaube, ich fühle mich zu schönen Räumen einfach hingezogen, und das hier ist ein wirklich tolles Gebäude. Aber das mit Acquavella hat sich ganz natürlich ergeben. Sie haben mit einem anderen Segment der Kunstwelt zu tun als ich.

Julian Schnabel wird von CFA vertreten, hat sich so der Kontakt ergeben?
Ich habe die Galeristen meinem Vater vorgestellt.

Ihr Repertoire reicht von sehr jungen Positionen bis hin zu Laurie Anderson und dem Dichter und Künstler Rene Ricard, die einer älteren Generation angehören. Wonach wählen Sie Ihre Künstler aus?
Ich habe gelernt, nichts zu machen, wovon ich nicht wirklich begeistert bin. Es ist sehr persönlich. Ob es Lauries Bilder sind, die sehr viel Kraft haben, oder Renes oder die von Ron Gorchov, der 82 Jahre alt ist und mit Künstlern wie Barnett Newmann und Mark Rothko gemalt hat. Jeder hat eine andere Geschichte. Vahakn Arslanian wurde taub geboren, ich bin mit seinen Arbeiten aufgewachsen. Es kommt auf verschiedenen Wegen dazu, dass ich einen Künstler vertrete.

Denken Sie nie darüber nach, eigene Ausstellungsräume zu haben?
Doch, es gibt einen Raum, in New York, den ich gemietet habe. Etwa 260 Quadratmeter, wo ich Leute treffen kann, einen Schreibtisch habe. Aber ich muss dort nicht alle zwei Monate eine Ausstellung machen. An dem Punkt, an dem ich mich befinde, gefällt mir auch nicht genug, um das tun zu können. Ich habe nicht zehn Künstler, die ich ausstellen muss. Keine Galerie zu haben hat mir viele Möglichkeiten eröffnet – etwa mit Künstlern zu arbeiten, mit denen ich das nicht tun könnte, wenn ich eine hätte.

"Bruce High Quality Foundation: The Transsubstantial Bruce", Contemporary Fine Arts, Berlin, bis 16. März