Islamic Arts Biennale in Saudi-Arabien

Zwischen Mekka und Metaverse

In Dschidda findet gerade die zweite Ausgabe der Islamic Arts Biennale statt. Mit über 500 Werken spannt sie den Bogen von der Kaaba bis zur KI-Kunst - und offenbart auch feine Risse im staatsgelenkten saudi-arabischen Narrativ

Ein Hauch von Basilikum liegt in der Luft, während man über den sandigen Boden des King Abdulaziz Airport geht, vorbei an schwebenden Stoffbahnen und spiegelnden Flächen, die den Himmel reflektieren. Darüber spannt sich das markante Zeltdach des Hajj-Terminals, einst erbaut als erste Anlaufstelle für Pilgernde auf dem Weg nach Mekka. Das Flughafenterminal im saudi-arabischen Dschidda ist ein Ort des Übergangs, inspiriert von den temporären Unterkünften, die Gläubige auf ihrer Reise nutzen. Nun ist es selbst zu einem Raum des Dazwischen geworden – als Kulisse für eine Kunstbiennale, die sich mit dem "In Between" beschäftigt.

Während Kulturinstitutionen in Deutschland gerade mit drastischen Budgetkürzungen zu kämpfen haben, fließen in Saudi-Arabien Milliarden in die Kunstförderung. Seit Kronprinz Mohammed bin Salman das Land mit seiner "Vision 2030" in eine wirtschaftlich diversifizierte Zukunft steuern will, spielt die Kultur eine zentrale Rolle: Museen entstehen in Rekordzeit, Austauschprogramme werden finanziert, Künstlerinnen und Künstler gefördert. Das Land positioniert sich als neuer globaler Kulturplayer, mit spektakulären Ausstellungshäusern, Biennalen und Festivals – ein Wandel, zu dem auch die Islamic Arts Biennale beitragen soll.

Ein Blick auf das Geld dahinter verdeutlicht: Hier wird Kultur als staatliches Instrument eingesetzt. Die Diriyah Biennale Foundation, die sowohl die Ausgaben in Riad als auch die in Dschidda verantwortet, wird direkt von der saudischen Regierung finanziert. Ihr Vorsitzender, Prinz Badr bin Abdullah bin Farhan Al Saud, ist nicht nur Kulturminister, sondern auch einer der engsten Vertrauten des Kronprinzen. Kritikerinnen und Kritiker sprechen von einer kulturellen Image-Politur, Stichwort "Art-Washing", die über Menschenrechtsverletzungen und politische Repressionen hinwegtäuschen soll.

Die Diskussion um die Rolle der Kunst in Saudi-Arabien ist nicht neu. Auch die Diriyah-Biennale 2024 in Riad, kuratiert von Ute Meta Bauer, war ein Testfall: Wie weit kann zeitgenössische Kunst in einem autoritär regierten Land gehen? Die Schau mit dem Titel "After Rain" versuchte, ein Bild von Transformation zu zeichnen – einer Gesellschaft im Umbruch, in der Künstlerinnen und Künstler zunehmend Raum finden. Auffällig war die große Präsenz von Frauen in der Kunstszene, sowohl auf kuratorischer als auch auf künstlerischer Ebene.

Mehr als 500 Objekte aus über 20 Ländern

Die Islamic Arts Biennale 2025 in Dschidda setzt diesen Diskurs nun auf andere Weise fort. Statt sich auf zeitgenössische Kunst zu fokussieren, setzt sie auf eine Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart. Mehr als 500 Objekte aus über 20 Ländern finden sich auf dem 100.000 Quadratmeter großen Gelände des King Abdulaziz International Airport wieder, darunter die Kiswah – der Schleier der Kaaba, der erstmals außerhalb der Pilgerstätte Mekka zu sehen ist und traditionell das zentrale Heiligtum des Islam bedeckt.

Über 30 internationale Museen und Institutionen sind an der diesjährigen Biennale beteiligt, darunter der Louvre in Paris, das Victoria & Albert Museum in London und das Ahmed Baba Institute of Higher Learning in Timbuktu. Neben den historischen Sammlungen gibt es 29 neu in Auftrag gegebene Kunstwerke, die sich mit islamischer Kultur und Spiritualität auseinandersetzen.

Geleitet wird die Kunstschau von einem internationalen Kuratorenteam unter der Leitung von Julian Raby, Amin Jaffer und Abdul Rahman Azzam, drei Experten für islamische Kunst und Kulturgeschichte. Mit dabei ist auch der saudische Künstler Muhannad Shono, der als Kurator für zeitgenössische Kunst eine Brücke in die Gegenwart schlagen soll. Gerade im Vergleich zur Riad-Biennale, wo Kuratorinnen und Künstlerinnen eine wichtige Rolle spielten, fällt das Fehlen von Frauen im Leitungsteam durchaus auf.

Der Titel der diesjährigen Ausgabe, "And All That Is In Between", ist einem Koranvers entlehnt, der Himmel, Erde, und alles Dazwischenliegende als göttliche Schöpfung beschreibt. "Es ist eine hochresonante Formulierung", sagt Kurator Julian Raby, "denn sie erscheint im Koran 21 mal, fast immer in Verbindung mit den Worten al-samawat wa-l-ard – die Himmel und die Erde." Die Ausstellung will zeigen, wie Glaube nicht nur durch Worte, sondern durch Materialität, Rituale und ästhetische Erfahrungen spürbar wird. "Es geht um Fühlen, Denken, Machen", so Raby.

Kreisförmige Bahnen, die an Pilgerbewegungen erinnern

Die ägyptische Künstlerin Nour Jaouda zeigt mit "Before the Last Sky" (2025) eine textile Installation, die Gebet als räumliche Geste begreift. Drei handgefärbte Stoffe, aufgehängt in den Positionen des islamischen Gebets, kombiniert mit schwebenden Metalltoren, die an die Silhouetten von Moschee-Kuppeln erinnern. Hayat Osamahs "Soft Gates" (2025) ist eine textile Passage, zusammengesetzt aus Materialien ihres Viertels in Riad. Reste von Festkleidung, Alltagsstoffe: Fragmente von Erinnerungen werden hier zu einem Denkmal für eine Gemeinschaft, die sich über Rituale und materielle Spuren definiert.

In "Memory of Becoming" (2025) spielt der Italiener Arcangelo Sassolino mit physikalischen Kräften und Bewegung. Seine Skulptur besteht aus einer rotierenden Stahlscheibe, überzogen mit zähem Öl, das sich durch die Bewegung langsam verteilt. Ahmed Maters "Magnetism" (2009) übersetzt das Umkreisen der Kaaba in ein physikalisches Modell. Ein magnetischer Kubus zieht Eisenspäne in kreisförmige Bahnen an, die an Pilgerbewegungen erinnern.

Charwei Tsais "That Which at First Tastes Bitter" (2025) greift eine jahrhundertealte Tradition auf und überträgt sie in eine zeitgenössische künstlerische Praxis. Inspiriert von einer Keramikschale aus dem 10. Jahrhundert aus der Sammlung des Louvre, deren Kufic-Inschrift über Geduld spricht, wiederholt Tsai das erste Zeichen des Textes immer wieder – eine Geste, die an die meditative Praxis des Kopierens heiliger Texte erinnert. Die Arbeit erstreckt sich über großformatige Leinwände, mit Perlmuttschimmer pigmentiert, während das kreisförmige Muster die Form der historischen Inschrift aufgreift. "Es ist eine Art langsame Annäherung, ein Versuch, sich mit einer Tradition zu verbinden, die weit über meine eigene Herkunft hinausgeht", sagt sie.

Sechs Wochen verbrachte die taiwanesische Künstlerin in Dschidda, arbeitete mit lokalen Kalligrafen und lernte, mit dem Bambusrohr zu schreiben – eine Erfahrung, die für sie eine neue Form von Verbundenheit schuf. "Ich hatte einen Moment, in dem alles zusammenkam – mein Geist, mein Körper, die Linie, die aus meiner Hand kam", erzählt sie. "In der Wiederholung liegt für mich aber nicht nur eine meditative Qualität, sondern auch eine Art Vergegenwärtigung: Wie sind diese Formen überliefert worden? Wie verändert sich ihr Sinn, wenn sie in einen neuen Kontext treten?"

Schon zum zweiten Mal Basilikum heute

Bewusst setzt die Biennale auf den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Ein Höhepunkt der Kunstschau ist der Außenbereich "AlMidhallah", der sich unter dem erwähnten Zeltdach des Hajj-Terminals am King Abdulaziz Airport erstreckt. Hier, unter freiem Himmel, kreisen viele Werke um das Motiv des Gartens. Fatma Abdulhadi fängt in "I wish you in heaven" (2025) die flüchtige Präsenz von Erinnerung in einer luftigen Installation aus bedrucktem Stoff und Basilikum ein – eine Pflanze, die in ihrer Heimat Saudi-Arabien sowohl mit Trauer als auch mit Festen verbunden ist.

Joana Hadjithomas und Khalil Joreige greifen in "I Was Looking at the Garden When I Saw the Sky" (2025) die Idee des Gartens als festen Ort auf und drehen sie um: Ihr schwebendes Beet verweist auf Hydrokulturen, die ohne Erde auskommen, während eine tragende Säule Erdschichten freilegt – eine Metapher für Migration, Verlagerung und das, was unter der Oberfläche bleibt. Takashi Kuribayashis "Barrels" (2025) verbindet Industrie mit Natur: Eine Plattform aus leeren Ölfässern erhebt sich über den Boden, darauf spiegelnde Flächen, die den Himmel reflektieren. Wer hinaufsteigt, sieht nicht nur das Flughafengelände aus einer anderen Perspektive, sondern auch eine doppelte Umkehrung – das Öl tief unter der Erde war einst lebendige Vegetation.

In "Media Fountain" (2025) lässt die 1993 in Dschidda geborene Künstlerin Anhar Salem KI-generierte Bilder über die Hände der Besuchenden fließen – ein Moment zwischen Ritual und Simulation, zwischen spiritueller Erfahrung und algorithmischer Konstruktion. Das Werk spielt mit der Idee der rituellen Waschung, nur, dass hier kein Wasser fließt, sondern eine Flut aus digitalen Zeichen: Avatare, Ornamente, Fragmente religiöser Bildwelten, die sich flüchtig auf der Haut abzeichnen, bevor sie wieder verschwinden. In einer Biennale, die sich der Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart widmet, zeigt Salem, wie sich Traditionen im digitalen Raum transformieren – und stellt damit die Frage, was von einem Bild bleibt, wenn es zum endlos reproduzierbaren Datenstrom wird.

Dass eine solche Arbeit hier gezeigt wird, überrascht dann irgendwie doch. Genau wie der Basil Smash, der am Abend nach der Eröffnung auf einer privaten Afterparty serviert wird. Schon zum zweiten Mal Basilikum heute: erst in seiner Verkörperung als duftende Spur von Erinnerung und Ritual in Fatma Abdulhadis Installation – und dann, auf Eis, als Zeichen für die feinen Risse im großen, staatsgelenkten Narrativ.