Radioprogramm

Die Documenta wird funky

Foto: Rosa Maria Rühling
Foto: Rosa Maria Rühling

"Savvy Funk", das deutsche Radioprogramm der Documenta 14, sendet vier Wochen lang 24 Stunden am Tag – Elke Buhr hat den Hörtest gemacht

Neun Radiostationen in aller Welt bestreiten über die gesamte Laufzeit der Documenta in Athen und Kassel, also von April bis 17. September, für jeweils vier Wochen das Radioprogramm zur Documenta 14. Seit dem Wochenende ist Deutschland an der Reihe – das einzige Land, in dem extra ein komplett neuer Sender ins Leben gerufen wurde.

Savvy Funk hat sein Studio in dem Berliner Projektraum Savvy Contemporary eingerichtet und sendet von dort in Kooperation mit dem Deutschlandfunk Kultur 24 Stunden am Tag. Studierende der Professur für experimentelles Radio an der Bauhaus-Universität Weimar arbeiten dort mit internationalen Künstlern zusammen. Und das Ergebnis? Erweist sich nach einem Tag Dauerhören als extrem interessante Mischung aus abgedreht, überflüssig und großartig. 

Es beginnt vor dem Frühstück damit, dass aus den heimischen Lautsprechern genau der gleiche Klang strömt, der sowieso schon im Zimmer ist: leises Vogelgezwitscher, gelegentlich unterbrochen von einem vorbeifahrenden Auto – ein frappierender Effekt. Das ist "Early Bird", die Klangkunstsendung, die die Weimarer Studierenden gestaltet haben. Bestimmt hält sie noch andere Sounds bereit als zwitschernde Vögel, aber schon ist es 8 Uhr, und die Klangkollage verschiedener Gebetsgesänge des Künstlers James Webb steuert kulturübergreifende Transzendenz bei.

Um 10 Uhr lehnt sich plötzlich Tito Valéry gut gelaunt aus dem Äther, so charismatischer wie kunsterfahrener Fernseh- und Radiomoderator aus Kamerun, der Künstlergespräche mit einer äußerst anregenden Playlist von alten Fela Kuti Songs bis zu aktuellen nigerianischem Hip Hop mixt. Die Nachrichten werden dann von einem Kreuzberger Barbesitzer im Stil eines singenden Geschichtenerzählers orientalischer Herkunft gesungen – das Konzept stammt von der Künstlerin Natascha Sadr Haghighian. Ausgewählt wird jeweils eine News des Vortrags, der man allerdings kaum folgen kann – irgendwas mit Trump? Trotzdem tröstlich, wie die Aktualität aufgehoben erscheint in der archaischen Technik der gesungenen Geschichte.

Kurz nach 12 Uhr mittags verbreitet der Künstler Ahmet Öğüt mit seinem "Piratensender" und eher schüchtern-beiläufiger Moderationsweise Gegenöffentlichkeits-Gefühl und man darf den letzten Worten des legendären italienischen Piratensenders Radio Alice zuhören, bevor der 1977 von Polizisten gestürmt und vorläufig geschossen wurde ("Wie im Film!", schreit der junge Mann am Mikrofon). Danach öffnen sich wieder ganz andere Soundwelten, ein australischer Künstler hat den brutalen Klang der Wüste zu einem Stück komprimiert und erzählt sehr interessant von den gesellschaftlichen Spannungen zwischen Aborigines und den Weißen in Australien.

So frisch wie ein schales Bier wirkt leider die Sendung von Felix Kubin, der gemeinsam mit dem Kreuzberger Nasenflötenorchester demonstriert, wie nötig die Berliner Szene mittlerweile Input von Außen hat - von Leuten wie Satch Hoyt zum Beispiel, dem die Abendschiene von 20 bis 22 Uhr gehört. Hoyt, in Berlin lebender Jazz- und Fusionmusiker und Künstler, verfolgt mit eigenen Improvisationen, Gästen und als DJ die Migration des afrikanischen Beats durch die Musik der Gegenwart. Man lauscht Herbie Hancock, Public Enemy oder irgendeinem Track, den man garantiert noch nie gehört hat, und ist gespannt, ob bei der nächsten Moderation das Mikro wohl aufgedreht ist oder wieder nicht so richtig. Alles sehr charmant. 

Das Programmschema von Savvy Funk ist jeden Tag gleich, die Moderatoren und Themen wird man wiedertreffen – was man hört, ist dennoch überhaupt nicht vorhersehbar. Ach, hätte man doch einen Beruf, bei dem man den ganzen Tag Radio hören kann. Künstler vielleicht.