Fotosammlerin Donata Pizzi

"Es ist es noch ein langer Weg für Fotografinnen"

Donata Pizzi war einst selbst Fotografin, heute sammelt sie ausschließlich Werke italienischer Fotografinnen. In Frankfurt wird jetzt ein großer Querschnitt ihrer Sammlung gezeigt

Donata Pizzi, Sie haben Ihre Sammlung erst vor einigen Jahren gestartet, inzwischen gehören weit über 250 Arbeiten dazu. Wie kam es, dass Sie ausschließlich italienische Fotografinnen sammeln?

Ursprünglich ging es bei diesem Projekt darum, italienische Fotografie zu stärken, von der ich den Eindruck hatte, dass sie in meinem Heimatland nicht ausreichend wahrgenommen wird, derweil einige Künstler im Ausland sehr wohl bekannt sind. Mein Plan war, ihre Arbeit zu "promoten", so dass sie registriert und ausgestellt werden. Im Laufe des Auswahlprozesses entdeckte ich dann, dass viele der Fotografien und Fotoserien, die ich im Kopf hatte, größtenteils von Frauen gemacht worden waren. Und so habe ich wohl unbewusst entschieden, meine Recherche diesem sehr spezifischen Bereich zu widmen.

Sie haben, im Gegensatz zu vielen klassischen Sammlerinnen selbst als Fotografin und Fotoredakteurin gearbeitet. Ändert dies den Blick, mit dem Sie auf die Bilder Ihrer Kolleginnen schauen? Vergleicht man sich mehr?

Es ist offensichtlich, dass ich jedes einzelne Foto meiner Sammlung sehr mag. Ich kaufe nie nur des Kaufens wegen oder um einen bestimmten Namen zuzufügen. Alle Arbeiten haben eine sehr spezifische Bedeutung und eine Position innerhalb der Sammlung, ich betrachte sie als Ziegelsteine in einem Gebäude. Ich mag sehr, wie sich diese Fotografinnen denselben Themen annähern, so tiefgreifend und auf so unterschiedliche Weisen, die mich interessierten, wenn ich noch selbst fotografieren würde.

Im Fotografie Forum Frankfurt, wo jetzt gut die Hälfte Ihrer Sammlung zu sehen ist, lässt sich grob ein chronologischer roter Faden ausmachen, von den ersten Reportage-Fotografinnen über explizit politische und feministische Kunst zu den aufgesplitterten Positionen heute. Würden Sie das auch für Ihre Sammlung bestätigen?

Mich hat als visuelle Denkerin immer die Evolution in der Fotografie beeindruckt, wie sie sich von der Reportage zur Konzeptkunst entwickelte, dabei die mannigfaltigen Facetten des Mediums offenbart hat. Konkret auf den Charakter der Sammlung bezogen, kann ich eine Annäherung ausmachen, die möglicherweise mit einem humanistischen, klassisch-europäischen Zugang zu tun hat. Was den weiblichen Part betrifft, geht es mehr um einen allgemeinen Weg, sich einem Thema oder Protagonisten anzunähern. Es geht um Empathie, Mut, Zärtlichkeit, aber auch Ironie.

Heute sagt beinahe ein jeder "Die Zeit der Künstlerinnen ist gekommen", was natürlich auch bedeutet, es gibt einen Bereich, der preislich noch ein bisschen zugänglicher ist. Bei vielen Künstlern ist ja die obere Fahnenstange fast erreicht. Wie erfahren Sie als Sammlerin die Situation?

Wir sehen es in den Zahlen: Es gibt viel mehr weibliche Künstlerinnen heutzutage. Gleichzeitig ist es noch ein langer Weg hinsichtlich Marktwerten und Ausstellungen. Wir müssen hart daran arbeiten, um diesen konstanten Kampf um Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten, um nicht wieder zu unterliegen.

Erst zum Ende meines Ausstellungsbesuchs ist uns aufgefallen, dass überhaupt keine Aktfotos vorkommen. Jedenfalls nicht im klassischen Sinne. Überhaupt ist sehr wenig nackte Haut zu sehen. Bemerkenswert, wo Akte auch und gerade als weibliches Selbstporträt heute ja omnipräsent sind.

Aktbilder mag ich allgemein nicht besonders, und sie würden auch nicht so in den politisch-soziokulturellen Subtext dieser Sammlung passen. Viele der Fotografinnen, die ich sammle, haben Serien mit Akten gemacht – berühmt sind zum Beispiel die von Carla Cerati –, aber von jeder Autorin oder Künstlerin wähle ich natürlich die Arbeiten aus, die am besten in den Aufbau des Ensembles passen. Was Selbstporträts betrifft, überlege ich gerade einen eigenen Seitenstrang zusammenzustellen, denn in diesem Bereich gibt es wirklich eine Menge interessanter Arbeiten!

Eine Ausnahme fällt mir aber doch ein, und die hat mit einem der seltsameren Italienbilder in dieser Ausstellung zu tun. Könnten Sie mir verraten, was es mit diesem bizarren Ritual auf sich hat, das die Fotografin Marialba Russo eingefangen hat und in dem ein nackter Junge von schwarz bekleideten Erwachsenen in einem Waldstück durch eine Art Reifen gehoben wird?

Natürlich: Das Bild zeigt einen uralten Initiationsritus. Dabei wird der adoleszente Junge wörtlich neu geboren, während er unbekleidet eine "Vagina" passieren muss, die aus einem speziell hierfür geschnittenen Ast geformt wird. Die alte Frau ist in schwarz gekleidet, der Zauberer aus dem Dorf vollführt den Ritus mit der Unterstützung von zwei weiteren Männern. Diese anthropologische fotografische Befragung war übrigens Marialba Russos unabhängiger Beitrag zu den Studien und Recherchen von Ernesto De Martino, einem renommierten Wissenschaftler, der diese Rituale in den 1970er-Jahren untersuchte – zu einer Zeit, in der sie in einigen abgelegenen Gegenden Süditaliens, vielleicht in Kalabrien, noch immer durchgeführt wurden.