Dunst und Leben




Ob Zigarettenrauch die Lebensfreude hebt, ist auch in der Monopol-Redaktion umstritten. Mindestens unschädlich, vielleicht sogar förderlich, war die Aktion „Joie de vivre“, für die Tabakfabrikant Alexander Orlow im Jahr 1960 dreizehn europäische Künstler einlud, die Stuyvesant-Produktionshallen im niederländischen Zevenaar mit Malkunst auszustatten. Orlow glaubte, mit großen Bildmaßen, leuchtenden Farben und kraftvollen Formen gegen die Fließbandmonotonie anzukommen. Kunst als Allheilmittel gegen das, was Karl Marx „Entfremdung“ nannte? Immerhin soll die außergewöhnliche Aktion das Interesse der Mitarbeiter an abstrakter Kunst geweckt haben.

Das Experiment war die Geburtsstunde der Peter Stuyvesant Collection. Jetzt wird ihr die (durchaus fragwürdige) Ehre zuteil, die größte Sammlung mit Nachkriegskunst und zeitgenössischen Werken zu sein, die jemals für eine Auktion in den Niederlanden freigegeben wurde. 163 erstrangige Arbeiten aus den Jahren 1960 bis 2010 kommen am 8. März bei Sotheby’s in Amsterdam unter den Hammer, darunter Werke von Victor Vasarely, Karel Appel, Kenneth Noland und Roman Opalka.

Als Spitzenlos mit einem Schätzpreis zwischen 250 000 und 350 000 Euro steht die üppig bemalte Knieende „Tony“ zum Verkauf, 1965 geschaffen von der großen Bildhauerin Niki de Saint Phalle. Das Nagelbild „Großer Schnee“ (80 000 bis 120 000 Euro) von Günther Uecker gehört zum Konvolut, in dem vor allem die Malerei triumphiert: Mit erwarteten 150 000 bis 180 000 Euro steht Albert Oehlens Mischtechnikbild „Eine prähistorische Hand II“ (Bild) hoch im Kurs; auf jeweils 40 000 bis 60 000 Euro sind Arbeiten von David Salle (das leuchtend blaue Acrylbild „Influence“) und Per Kirkeby geschätzt. Per Kirkebys Gemälde erinnert an einen Blick in Monets Seerosenteich, während Freunde der Stuyvesant Collection, die inzwischen BATartventure heißt, eher in einen Abgrund schauen: Die Kritik am geplanten sukzessiven Verkauf der Kollektion durch den BAT-Konzern reißt nicht ab.

Der renommierte Sammler Martijn Sanders, bis 2006 künstlerischer Berater für die Tabakfirma, spricht angesichts der Zerschlagung dieser berühmten Firmenkunstsammlung von „kultureller Barbarei“. Den künftigen Neubesitzern wird der Rummel wohl herzlich egal sein.

Sotheby‘s Amsterdam, 8. März