Ein Bett aus Sperrmüll: Das Berliner Performancefestival In Transit

Nach dem Ende der Ära von Kaprow, Burden, Abramovic´ & Co. wurde Performancekunst vom Mainstream der Galerien und Museen lange stiefmütterlich behandelt, doch das ist vorbei. Das Programm des Performing-Arts-Festival „In Transit 09“, kuratiert vom New Yorker Performancetheoretiker André Lepecki, zeigte Mitte Juni die beeindruckende Bandbreite zeitgenössischer Arbeiten zwischen Tanz, Theater und Lecture-Performances. Dabei erwies sich Performance als ein ständiger Seiltanz zwischen Gattungsgrenzen. Als etwa die Spanierin Aitana Cordero lässig auf eine der Bühnen des Hauses trat, wusste man zunächst nicht, ob einen ein dramatischer Dialog oder ein Solotanzstück erwartet. Was man zu sehen bekam, war die virtuose Herrichtung einer Installation.


Zu angenehm lärmenden Popsongs brachte Cordero aus allen Ecken des Raumes Scheinwerfer, DVD-Player, Kabel, Secondhandbücher, Eimer oder Wischmopps auf die Bühne, um sie dann mit unbeteiligter Miene zu zerschmettern und sich aus dem ganzen Zivilisationsmüll einen adretten Haufen zu bauen, in dem sie sich zur Ruhe legte. Die entstandene Skulptur hätte auch in einem Museum präsentiert werden können: ein perfektes Bild für all die fehlgeschlagenen Unternehmungen, aus denen sich so ein Leben zusammensetzt.


Natürlich befanden sich nicht alle Festivalbeiträge auf diesem Niveau. Oft mischte sich Low-Budget-Ästhetik mit dröhnender Prätention, selbst bei so gestandenen Künstlerinnen wie Adrian Piper oder Julie Tolentino. Aber viele Arbeiten konnten überzeugen, vor allem, wenn sie sich klug mit dem Erbe der Vorreiter auseinandersetzten. Trajal Harrell aus New York und Maria José Arjona aus Kolumbien zum Beispiel schlossen an die kapitalismus- und institutionskritischen Konzepte von Künstlern wie Vito Acconci an. Harrell gab sechs Performern Ambien, das meistverkaufte Schlafmittel der Welt, und ließ sie dann einfach in der Eingangshalle liegen. Arjona blies zwei Wochen lang blutige Seifenblasen auf die unversehrten Wände eines eigens gebauten White Cubes.


Yingmei Duan aus China und Melati Suryodarmo aus Indonesien arbeiteten sich an der Ausdauerkunst einer Marina Abramovic´ ab, die sich gern selbst für Stunden, Tage oder Wochen als Objekt ausstellt. Die splitternackte Yingmei Duan baute sich dafür einen Sperrmüllparcours, durch den sie wie in Trance wanderte. Ungleich komischer stand, lag oder saß Suryodarmo in einem Glaskasten, in einem roten Kleid und in Begleitung von sechs weißen Hasen, alle halbe Stunde unterbrochen von einer Opernsängerin, die eine Arie aus Bachs „Matthäus-Passion“ zum Besten gab.


Wie bei einigen Stücken in „In Transit 09“ passierte für die Zuschauer von Yingmei Duan, Cordero oder Suryodarmo das, was bei guter Performancekunst immer passieren sollte: Genauso wie beim Angeln oder Meditieren schien einem die Zeit, die man dort verbrachte, nicht vom Leben abgezogen zu werden. Man bekam sie einfach geschenkt.

 

 

Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 11. bis 21. Juni