Herr Ringier, Sie entschließen sich zum ersten Mal, Ihre Sammlung zu zeigen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Genau genommen ist es das dritte Mal. Zum 175-jährigen Jubiläum der Firma gab es 2008 schon einmal eine Ausstellung im Kunstmuseum Luzern, die haben wir aber eher für die Mitarbeiter gemacht. 2015 fand eine zweiteilige Ausstellung in der Villa Flora in Winterthur statt. In die Langen Foundation zu gehen, war eigentlich die Idee meiner Frau. Sie sagte vor ein paar Jahren: "Das ist doch genau das Museum für dich!" Ich habe gelacht. Vor einer Weile waren wir wieder hier, und ich dachte: "Ja, das macht doch wirklich Sinn."
Ihre Frau Ellen Ringier, die vor Kurzem gestorben ist, hat die Eröffnung leider nicht mehr erlebt. Sie beide haben immer mit Ihrer Kunst gelebt, und auch die Mitarbeiter ihres Medienhauses sind dort von wechselnden Werken umgeben. Für wen machen Sie die Ausstellung in der Langen Foundation?
Im Grunde macht man das für sich selbst. Jeder ist herzlich eingeladen, sich das anzuschauen, aber eigentlich ist das eine Ausstellung für mich. Ich will das aber nie selbst kuratieren, ich finde den Blick von anderen immer viel interessanter.
Kuratiert haben die Ausstellung ihre langjährige Beraterin Beatrix Ruf und der Künstler Wade Guyton. Wie kam es dazu?
Beatrix war 20 Jahre lang die Kuratorin der Sammlung. Ohne sie gäbe es diese Sammlung gar nicht. Ich schlug ihr vor, einen Künstler dazu zu holen, weil einige wirklich tolle Ideen haben beim Kuratieren – allerdings nicht alle. Sie hat sich für Wade Guyton entschieden, definitiv ein großartiger Kurator.
Sie haben Wade Guyton schon früh gesammelt, bevor er auf Auktionen Höchstpreise erzielte. Wie gelang Ihnen das?
2006, vor fast 20 Jahren, hat Beatrix eine Gruppenausstellung in der Kunsthalle Zürich gemacht: Wade Guyton, Seth Price, Kelley Walker und Josh Smith. Die erste in Europa für diese Künstler. Sie saßen dann alle kiffend bei uns zu Hause beim Abendessen, das ganze Haus hat gestunken. Ich habe zwar nicht mitgekifft, weil ich es nicht vertrage, aber daraus ist eine Freundschaft geworden, und ich fand ihre Kunst toll. Damals waren die Preise auch noch völlig anders, da konnte man auch mal auf Risiko kaufen, was ja ohnehin spannender ist. Die Sammlung besteht hauptsächlich aus Werken, die relativ früh gekauft worden sind. Das war durch Beatrix Ruf möglich. Sie hatte Zugang zu den Künstlern und wusste, wer wahrscheinlich gut wird.
Wie fingen Sie mit dem Sammeln an?
Die erste Überlegung ist: Was sammelt man denn überhaupt? Wir haben gesagt: Wir sammeln Künstler, die mit denselben Dingen arbeiten wie wir als Verlag: also mit Fotografie und mit Text. Da waren beispielsweise Künstler wie Thomas Ruff und Andreas Gursky. Gursky kostete 15.000, was ich sehr viel fand für eine Auflage, aber das waren andere Zeiten. Und die Textkünstler waren John Baldessari oder Joseph Kosuth. Wenn Sie dann erst einmal angefangen haben, brauchen Sie keine Definition mehr.
Wie waren die Zeiten vor dem großen Kunstmarkt-Boom?
Damals gab es keinen Hype, von Investition hat kein Mensch geredet, die Sammler-Community war relativ klein. Man kannte sich und die Galerien auch, das war herrlich. Und irgendwann, so ab 2005, spielte der Markt verrückt, dann kam die Fünf-Minuten-Reservation.
Was ist das?
Wenn Sie auf der Art Basel irgendwas gesehen haben, hat die Galerie gesagt: "Ich kann das fünf Minuten für Sie reservieren." Ich habe dann gedacht: "Ja dann, bitte. Dann sollen sie es anderen verkaufen." Heute ist es wieder anders, Kaufen ist nicht mehr selbstverständlich.
Sind Galeristen nicht immer froh, Sie zu sehen?
Ohne die Galerien würde es diese Sammlung nicht geben. Mit vielen Galeristen hat sich eine enge Freundschaft entwickelt. In den Anfängen habe ich nie irgendwas auf Auktionen ersteigert. Diese Kunst war auf Auktionen gar nicht verkäuflich. Und wenn eine Galerie-Ausstellung zur Hälfte verkauft war, galt das als Erfolg.
Folgt auf einen allerersten Kaufimpuls auch mal das Gefühl "Ach, doch nicht"?
Es ist eigentlich eher umgekehrt. Wenn immer ich etwas ganz toll finde, sage ich: "Jetzt halt!" Den engsten Kontakt zu Werken hat man zu denen, die man sich erarbeiten muss. Wenn man etwas sieht und sagt: "Oh, wie toll!", muss man zwei Tage warten, ob es immer noch toll ist. Nach 30 Jahren hat man viel gelernt und kann schneller entscheiden. Man fällt weniger auf sich selbst herein, nicht nur in der Kunst.
Sind Sie ein Sammler, der Wert darauf legt, die Künstler kennenzulernen?
Unbedingt, das finde ich mit das Spannendste dran. Ich kenne oder kannte ganz viele Künstler. Das sind wahnsinnig interessante Leute, und man lernt mit ihnen mehr über ihre Kunst. Einige reden gar nicht viel darüber, andere schon. Das muss man jedem einzelnen überlassen. Da gibt es Schräge, da gibt es Bürokraten, aber eines haben sie gemeinsam: Sie sind alle intelligent. Ein dummer Mensch kann keine Kunst machen. Es ist nicht unbedingt nur Bildung, es geht ums Hinterfragen. Da passiert etwas im Gehirn. Das Teure an der Kunst ist ja nicht, was man sieht. Es ist die Idee, die dahintersteckt.
Sie haben 1995 angefangen mit der Sammlung, also Höhen und Tiefen erlebt. Wie sehen Sie die Gegenwart des Kunstmarktes?
In den letzten zwei Jahren ist einiges wieder eingebrochen. Da gibt es Künstler, die kosten noch zehn oder 20 Prozent von dem, was sie mal gekostet haben. Das ist sehr unangenehm für die Karriere des Künstlers. Was früher 5000 war, wurde 50.000 und nach drei Jahren 200.000. Und irgendwann haben die Leute gemerkt: so geht das nicht. Irgendwann ist dann die Nachfrage vorbei. Und dann kommt eine andere Generation, die guckt anders, die beurteilt anders.
Richard Prince ist einer der besten Künstler seiner Generation, aber um ihn ist es ruhig geworden. Sie haben Schlüsselwerke von ihm.
"Spiritual America" von 1983 können Sie fast nicht mehr ausstellen. Aber darum geht es ja, darum muss man es gerade zeigen, denn deswegen hat es Richard Prince auch gemacht. Dass wir es jetzt wieder weghängen mussten, macht mich wütend. Wir klären es gerade juristisch ab.
Das berühmte Bild der zehnjährigen Brooke Shields, die vor einem US-Fotografen eingeölt, nackt und stark geschminkt posiert …
Das erste Bild hatte ihre Mutter in Auftrag gegeben. Wir haben auch das zweite gezeigt, das sie 25 Jahre später mit Richard Prince zusammen gemacht hat. Ein berühmter italienischer Modefotograf hat es im Auftrag von Richard fotografiert, es zeigt die erwachsene Brooke Shields und es heißt auch "Spiritual America". Was auch klarmacht, dass sie irgendwo einverstanden mit ihrer Geschichte ist.
Das Bild des exponierten Mädchens ist immer noch verstörend. Wollten Sie keine Triggerwarnung anbringen lassen?
Nein, aber dafür die Fakten beschreiben, und das haben wir auch getan in der Ausstellung. Selbstverständlich muss man das Werk erklären, und selbstverständlich kann man auch dagegen sein. Aber es muss gezeigt werden. Ich kämpfe immer dafür, dass es gezeigt wird, weil es einfach ein wahnsinnig wichtiges Werk ist. Die Diskussion darüber muss doch stattfinden können.
Sie leben mit Ihrer Kunst, aber die meisten Ihrer Werke sind vermutlich im Depot. Wie ist es, sie hier zusammen ausgestellt zu sehen?
Ja, herrlich! Wir haben in der Firma und zu Hause Räume, in denen hängen vier, fünf, maximal sechs Bilder. Und hier ist einfach mal volles Programm. Das ist schon speziell. Und der Zeitfaktor ist entscheidend: Wenn man nach 20 Jahren etwas anschaut und es noch besser aussieht als früher, dann muss es gute Kunst sein.