Corona-Updates aus der Kunstwelt

Ein Rettungspaket, weitere Absagen – und eine Wiedereröffnung

Terrasse der geschlossenen James-Simon-Galerie am Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel
Foto: dpa

Terrasse der geschlossenen James-Simon-Galerie am Pergamonmuseum auf der Berliner Museumsinsel

Die Bundesregierung hat ein Hilfspaket beschlossen, das auch ein "Rettungsschirm für den Kulturbereich" sein soll. Währenddessen werden weitere Verschiebungen und Absagen von Kunst-Events bekannt - aber auch eine Wiedereröffnung

Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht im am heutigen Montag beschlossenen Hilfspaket der Bundesregierung gegen die Coronakrise einen "Rettungsschirm für den Kultur-, Kreativ- und Medienbereich". Kleinen Unternehmen werde bei der Betriebssicherung geholfen, persönliche Lebensumstände würden abgesichert und mit rechtlichen Einzelmaßnahmen Härten abgemildert, hieß es in einer Mitteilung der CDU-Politikerin. Die demokratische Gesellschaft brauche in dieser Situation ihre vielfältige Kulturlandschaft. "Der schöpferische Mut der Kreativen kann helfen, die Krise zu bewältigen", sagte Grütters. "Künstlerinnen und Künstler sind gerade jetzt nicht nur unverzichtbar, sondern geradezu lebenswichtig." 

Mit milliardenschweren Hilfsprogrammen will die Regierung in der Corona-Krise Arbeitsplätze und Unternehmen retten. Das Kabinett beschloss dazu einen Nachtragshaushalt von 156 Milliarden Euro. "Wir kennen die Nöte, wir wissen um die Verzweiflung", sagte Grütters. "Gerade der Kulturbereich ist durch einen hohen Anteil Selbstständiger gekennzeichnet, die jetzt existenzielle Probleme haben." Die Hilfe komme so schnell und unbürokratisch wie möglich. "Die Bundesregierung ist zu allem entschlossen, um den verheerenden Folgen der Covid-19-Pandemie auch im Kultur- und Kreativbereich zu begegnen", sagte sie. "Wir lassen niemanden im Stich." Grütters will zudem auf Rückforderungen von Fördermitteln so weit wie möglich verzichten, wenn Veranstaltungen oder Projekte aufgrund der Pandemie nicht umgesetzt werden können.

Dass diese Maßnahmen nicht ausreichen werden, kommentiert Stefan Kobel in Monopol – und macht einen Vorschlag zur Güte.

Weltweit werden neue Absagen, Schließungen und Verschiebungen bekannt. Die Sydney Biennale, die am 14. März gestartet ist, wird am Dienstag bis auf Weiteres schließen. Gemeinsam mit der Plattform Google Arts & Culture, die als App und Browser-Anwendung verfügbar ist, will man Teile der Ausstellung online verfügbar machen. Die 13. Ausgabe der Wanderbiennale Manifesta, die am 7. Juni in Marseille eröffnet werden sollte, wird verschoben. Ein neuer Termin steht laut "The Art Newspaper" noch nicht fest. Die zweite Ausgabe der Riga-Biennale RIBOCA, eigentlich von Mai bis Oktober geplant, ist ebenfalls verschoben ohne neue Daten.

Auch im Messesektor trudeln die Terminänderungen weiter ein. Die Tefaf New York Spring soll jetzt vom Mai verschoben werden auf den 31. Oktober bis 4. November. Die Berliner Ausgabe der Kunstmesse Paper Positions, die eigentlich Anfang Mai parallel zum Gallery Weekend eröffnen sollte, soll in der Berlin Art Week vom 10. bis 13. September 2020 stattfinden. Der Veranstaltungsort steht noch nicht fest.

Dann aber doch eine gute Meldung: Das Centre Pompidou in Shanghai ist wieder zugänglich. Da sich die Gesundheitssituation in China in den letzten Tagen erheblich verbessert habe, hätten die Behörden der teilweisen Wiedereröffnung bestimmter Orte, einschließlich Museen, zugestimmt, heißt es in einer Pressemitteilung. Die im November 2019 eingeweihte Filiale des Pariser Mutterhauses war seit Beginn des chinesischen Neujahrs am 24. Januar geschlossen. Seit Donnerstag hat China landesweit keine lokalen Neuinfektionen mehr gemeldet. Seit Ausbruch des neuartigen Coronavirus Anfang Januar hat Festland-China bislang 80 967 Infizierte registriert, 3248 Menschen sind gestorben. Die Centre Pompidou Dependance befindet sich in einem Teil des von dem britischen Stararchitekten David Chipperfield entworfenen, rund 22 000 Quadratmeter großen West Bund Art Museum und liegt an der Uferpromenade des Flusses Huangpu. 

Und was machen wir derweil in häuslicher Isolation, ohne Ausstellungen? Der Künstler Kaws, bürgerlich Brian Donelly, sendet einen virtuellen Freund. Den von ihm erfundenen "Companion", eine comicartige Gestalt mit durchkreuzten Augen und weißen Handschuhen, die sich sonst als riesige physische Skulptur an den Wahrzeichen der Welt niederlässt, gibt es jetzt in der Augmented-Reality-Version für zu Hause. Zusammen mit Acute Art, einem Galeriemodell für digital immersive Kunstwerke, hat er die Serie "Expanded Holiday“ herausgebracht. Dazu gehört eine Version von Kaws "Companion (Expanded)“, die man über die Acute Art-App in die eigene Quarantäne zuschalten kann. Dann schwebt der kleine Kumpel über dem Wohnzimmerteppich - gehypte Kunst zwischen Laptop und Teekanne. "Companion (Expanded)" ist nur ein Teil des Projektes. Acute Art und Kaws haben monatelang auf eine Ausstellung hingearbeitet, bei der zwölf monumentale Augmented Reality-Statuen auf der ganzen Welt verteilt und durch die App für das Publikum sichtbar werden sollten. Da momentan aber davon abzuraten ist, Menschen zu Versammlungen anzuregen, hat sich der Künstler entschlossen, den Daheimgebliebenen seine "Companion"-Markenzeichen-Figur als free trial bis zum 15. April zur Verfügung zu stellen. In der App gibt es außerdem weitere virtuelle Freunde zu erwerben.

Der auch in Deutschland populäre russische Regisseur Kirill Serebrennikow gibt nach anderthalb Jahren im Hausarrest in Moskau andere Tipps für die Selbstisolation: "Das ist Ihre Chance, aus dieser Isolation als völlig neuer Mensch herauszukommen", sagte der 50-Jährige in einem Video. Serebrennikow empfiehlt, Ordnung in das "tägliche Chaos" des eigenen Lebens zu bringen. Die Coronavirus-Isolation sei die Zeit, sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen und auf die Menschen, die einem am wichtigsten seien - abseits aller Mails und Kurznachrichten in sozialen Netzwerken. "Das ist keine Strafe, sondern ein Moment der Wahrheit", meinte der Künstler mit Blick darauf, dass vor allem Familie und Paare nun merkten, wie gut eigentlich das Zusammenleben funktioniere. "Nehmt es als ein Geschenk des Schicksals." Serebrennikow inszenierte Anfang März von Moskau aus am Deutschen Theater in Berlin das Stück "Decamerone".

Der auch wegen seiner Filme geschätzte Regisseur empfahl unter anderem Sex, Sport, Schreiben, Zeichnen, Sprachenlernen, Kochen und das Lesen dicker Bücher – zum Beispiel "Krieg und Frieden" von Leo Tolstoi. "Wir sollten die Zeit nutzen, um uns zu ändern." Serebrennikow regte auch an, verlorene Kontakte zu lieben Menschen von früher neu zu aktivieren. Der Künstler hatte aus dem Hausarrest in Moskau heraus auch Opern in Stuttgart und Hamburg inszeniert. Er darf zwar inzwischen wieder an seinem Theater Gogol-Center arbeiten. Die Stadt verlassen darf er aber nicht. Sein Theater musste - wie alle in Moskau - nun wegen des Coronavirus bis 10. April schließen. Gegen Serebrennikow läuft ein als politische Inszenierung kritisiertes Strafverfahren. Die Justiz wirft ihm vor, staatliche Fördergelder veruntreut zu haben. Beweise gibt es nicht. Serebrennikow weist die Anschuldigungen zurück.

 

Manche jedoch verstehen was anderes unter Selbstverwirklichung im Lockdown: Diebe haben sich auf der wegen der Pandemie lahmgelegten Notre-Dame-Baustelle zu schaffen gemacht. Obwohl die Baustelle der berühmten Pariser Kathedrale durch bis zu drei Meter hohe Palisaden abgesperrt ist, habe das Wachpersonal am vergangenen Dienstag zwei Männer im Inneren der Kathedrale entdeckt, berichtete die Zeitung "Le Parisien" am Wochenende. Die herbeigerufene Polizei fand sie unter einer Plane versteckt. Die beiden angetrunkenen Männer wollten demnach Steine entwenden und verkaufen.Wie der Pressesprecher der Notre-Dame, André Finot, dem "Parisien" erklärte, gibt es einen Schwarzmarkt. So würden im Internet angebliche Steine aus dem über 800 Jahre alten gotischen Gotteshaus zum Verkauf angeboten. Sie seien jedoch nicht echt. Die Arbeiten an der Kathedrale, in der am 15. April 2019 ein Großbrand ausgebrochen war, wurden am vergangenen Montag aufgrund der Corona-Pandemie eingestellt. Frankreich hat am Dienstag Ausgangssperre verhängt. An dem stark zerstörten Gebäude arbeiten normalerweise täglich rund 100 Arbeiter.