Martin-Gropius-Bau

Eine Frau wie ein Blumenbouquet: Frida Kahlos Bilder in Berlin

Vielleicht könnte man Frida Kahlo als eine Art weibliches Pendant zu Salvador Dalí bezeichnen. Nein, das soll kein Scherz über den Damenbart sein, den Frida zwar nicht zwirbeln konnte, aber neben ausdrucksvollen Augenbrauen selbstbewusst zu ihrem Markenzeichen machte. Dalí und Kahlo gehören ungefähr derselben Generation an. Der exzentrische Spanier wurde 1904 geboren, die nicht weniger eigenwillige Mexikanerin 1907. Dalí ist Surrealist, Kahlo steht diesem Stil sehr nah. Vor allem aber sind beide dermaßen zur Ikone geworden, dass der eigentliche künstlerische Wert ihres Werks kaum noch zu erkennen, wenn nicht fraglich geworden ist.


Salvador Dalí hat den Ausverkauf des eigenen Namens allerdings selbst betrieben. Wohlmeinende Interpretatoren sehen das mittlerweile als von Warhol inspirierte künstlerische Strategie, die den modernen Typus des Künstler-Entrepreneurs clever vorwegnahm. Kahlo dagegen war lange tot, bevor Warhol seine Factory in Gang brachte. Die brutale Vermarktung ihrer Kunst, die mittlerweile Produkte jeder Sorte vom Mousepad bis zum Turnschuh hervorgebracht hat (und das, wo die Arme ihr Leben beinamputiert beendete), war nun wirklich nicht ihre Idee.


Trotzdem ist der Personenkult, der Kahlo postum in Gestalt der schönen Salma Hayek – leider ohne Schnurrbart – bis nach Hollywood brachte, in ihrem Werk klar angelegt. Im Zentrum steht nun mal die Beschäftigung mit dem Ich. Ein entscheidender Teil ihres künstlerischen Entwurfs besteht in der Erschaffung einer stilisierten Frida, die sich mit Anleihen bei traditionellen Frisuren und Trachten als Ikone des kulturellen Aufbruchs in Mexiko inszeniert und immer wieder von Fotografen festhalten lässt. Und die in ihren vielen Selbstporträts die eigene, tragische Biografie verarbeitet, einschließlich des Busunfalls mit 18, der lebenslangen Krankengeschichte und des untreuen Ehemanns. So schwankt auch die große Frida-Kahlo-Retrospektive im Berliner Martin-Gropius-Bau zwischen Analyse, Neubetrachtung und Kapitulation vor der Kraft des Mythos.


Es ist aber auch zu schön, sich dem Reiz beispielsweise der Fotografien hinzugeben, die einer von Kahlos Liebhabern, der Amerikaner Nickolas Muray, zwischen 1938 und 1946 von ihr machte. Die beste kontrastiert die Farbenpracht dieser immer wie ein Blumenbouquet hergerichteten Frau harsch mit der Moderne: Da sitzt sie, ausnahmsweise nicht direkt in die Kamera, sondern fast erschöpft zur Seite blickend, auf der New Yorker Dachterrasse des Fotografen, die Zigarette in der Hand, während hinter ihr das Empire State Building aufragt. Eine süßherbe Blüte im Beton.


Angesichts der in Deutschland bislang einzigartig breiten Präsentation von Kahlo-Werken aus verschiedensten Quellen in der Berliner Ausstellung kann man auch gut nachvollziehen, warum der Feminismus die Künstlerin als Mutterfigur adoptieren konnte. Die schonungslose Offenheit, mit der sie in Zeichnungen und Gemälden ihre Wunden zeigt, wurde erst in den 70ern mit der feministischen Körperkunst wieder erreicht.


Kahlo gelingt es, die christliche Märtyrer-Ikonologie dem Patriarchat zu entreißen. Sie beginnt eine Tradition, an deren Ende beispielsweise eine Marina Abramović sich mit Rasierklingen Zeichen in den nackten Leib schneidet. So ist und bleibt Kahlos Selbstporträt mit der Wirbelsäule aus Stahl ein ungeheuer starkes und absolut modernes Bild.


Die Schau demonstriert auch, dass Kahlo nicht nur Talent zum Drama, sondern auch über einen angenehm fiesen Humor verfügte, wenn sie Melonenscheiben als Chiffre für die eigenen schlechten Zähne malte und Porträts anderer manchmal bösartige Attribute mitgab. Etwas enervierend aber ist der beständige Zwang zur Allegorie, der ihre Kunst naiver aussehen lässt, als sie eigentlich sein müsste. Der Vogel ist Freiheit, die Äffchen stehen für ihre Schüler, Sonne und Mond symbolisieren Mann und Frau. Und wenn der Sensenmann kommt und tropische Früchte zerschneidet, geht es um die Trennung vom Gatten. So implodieren die Bilder eins nach dem anderen in allzu einfachen Bedeutungszuweisungen.


Welch ein Glück, dass Frida Kahlo mit diesem geheimnisvollen Blick gesegnet war, der dann wieder alles offen lässt. Von dem hätte sich auch der notorisch alberne Dalí etwas abschneiden können.


Martin-Gropius-Bau, Berlin, bis 9. August, mehr Informationen unter www.berlinerfestspiele.de