Kunst und Unendlichkeit

Eine kurze Kritik des schwarzen Lochs

Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an Reinhard Genzel, Andrea Ghez und Roger Penrose. Alle drei werden für ihre Forschung zu Schwarzen Löchern geehrt. Auch Künstler hat dieser absolute Abgrund schon immer verrückt gemacht

Ein schwarzes Loch sieht also aus wie ein Donut mit außerirdisch oranger Aprikosenglasur. Auch Assoziationen an das Auge des Sauron aus den "Herr der Ringe"-Filmen geistern durchs Netz, wobei das tatsächliche schwarze Loch im Vergleich dazu eher funzelig aussieht. Seit die Nasa im vergangenen Jahr das erste Foto des berühmtesten aller Weltraumphänomene veröffentlicht hat, kann man sich fragen, ob man fasziniert oder ernüchtert sein soll. Das unvorstellbare absolute Nichts hat eine visuelle Form bekommen, die nicht mehr auf Fantasie beruht. Und die fotografische "Realität", so weit sich die Forscher an sie annähern können, ist weit unspektakulärer als die meisten Darstellungen. Grafiken des Schwarzen Lochs sind oft dramatisch verwirbelt, mit lila Blitzen, türkisen Lichtfeldern und Sternenschauern. Das Foto eines leicht verschwommen orangen Leuchtkreises mit dunkler Mitte ist da wesentlich reduzierter und nüchterner. 

Nun wurde auch der Physik-Nobelpreis 2020 für Forschung zu Schwarzen Löchern vergeben. Ausgezeichnet werden der deutsche Astrophysiker Reinhard Genzel, sowie Andrea Ghez aus den USA und der britische Wissenschaftler Roger Penrose. Das Phänomen ist eines der großen Rätsel des Universums und hat immer auch Künstlerinnen und Künstler fasziniert. 

Das Nasa-Foto passt zum Beispiel erstaunlich gut zu den Werken von Künstlern, die versucht haben, sich die Unendlichkeit vorzustellen. Mark Rothkos "Orange Brown" ist dem Nasa-Bild auffällig farbverwandt. Und auch die Wirkung ist eine ähnliche. Durch das Anschauen des Bildes können empfindsame Kunstliebhaber und ergriffene Forscher ins Bodenlose stürzen.

Das Paradoxon des absoluten Nichts

Die Kunst hat sich schon lange für das Paradoxon interessiert, das absolute Nichts darzustellen. Das kann einen verrückt machen, weil das Nichts dann eben auch wieder alles sein kann. Kasimir Maletwitschs "Schwarzes Quadrat", das er seit 1915 immer wieder malte, ist aus diesem Bedürfnis entstanden. Der Künstler Andy Hope 1930 erweitert Malewitschs Konzept mit seinen "Time Tubes", die die Betrachter ebenfalls in absolute Schwärze blicken lassen. Anish Kapoor inszeniert endlose Löcher in Kunsträumen und hütet sein "schwärzestes Schwarz" so besorgt, dass er es hat patentieren lassen. Und auch der Maler Pierre Soulages hat eine ganze Karriere auf der Farbe Schwarz aufgebaut.

Hinter diesen Werken steht die Idee, dass die absolute Reduktion zur absoluten Freiheit der Vorstellungskraft führen kann. Und auch wenn das Nasa-Foto dem Informationsgewinn über das Weltall dient, hat es doch einen ähnlichen Effekt. Durch die Abstraktion und die relative Bescheidenheit des glühenden Donuts wird noch einmal deutlich, wie begrenzt unser Zugang zur Unendlichkeit des Universums ist. Das Nicht oder das Alles bleibt irgendwie immer Fanstasie. Große Kunst also.