Elke Krystufek reibt sich in Hannover an Macht- und Geschlechterfragen auf

Kann sie immer noch als Künstlerin gelten, die ihren eigenen Körper in den Mittelpunkt stellt? Besuchern der Kestnergesellschaft bietet sich ein anderes Bild. Den Ausstellungstitel „Less Male Art“ gibt eine Wandbemalung vor, die die Forderung der 1970 in Wien geborenen Elke Krystufek nach „weniger männlicher Kunst“ mit einer raumfüllenden Liste von Frauen- (in Rot) und Männernamen (in Blau) untermauert. Es sind Künstler, denen die Kestnergesellschaft in ihrer fast 100-jährigen Geschichte eine Einzelausstellung eingeräumt hat. Da steht es zehn zu eins für die „Blauen“, was nicht überrascht. Aber gut, manchmal müssen eben auch halb offene Türen eingerannt werden.

Einen weiteren Schwerpunkt der thematisch mäandernden, unter unglücklichen Vorzeichen eröffneten Soloschau bildet die Serie von Männerakten aus dem Venedig-Biennale-Pavillon von Österreich. Mit gewohnt lockeren Pinselstrichen porträtiert Krystufek einen langmähnigen Mann, den sie selbst als „Mischung aus Jesus und Johnny Depp“ beschreibt. Es geht um den weiblichen Blick auf ein männliches Modell, das je nach Stimmungs- und Erregungszustand der Malerin ziemlich unterschiedlich aussieht. Die Genussperspektive der heterosexuellen Frau ist allerdings kein Tabu mehr – der (erhoffte?) Skandaleffekt blieb ja schon in Venedig aus.

Das unbestrittene Potenzial der Künstlerin entdeckt man vor allem in dichten Text-Bild-Formaten, die sich mit fiktiven Porträts beschäftigen oder mit der (problematischen) Konstruktion von Identität über den Tod einer realen Person hinaus. In dem an eine Tagebuchseite erinnernden Gemälde „Ernst Ludwig we’ll say was exactly like that“ mischt Krystufek ihre eigenen Züge unter die des Expressionisten Kirchner. Ebenso identifiziert sie sich mit „Leni Peickert“, der Hauptfigur des Alexander-Kluge-Filmessays „Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“, jener von Hannelore Hoger gespielten Zirkusunternehmerin, die die Grenzen der Vereinbarkeit von Kunst und Lebensrealität erfahren muss.

Für derlei Diskrepanzen kann die um ein Haar gescheiterte Kooperation zwischen Krystufek und Kestnergesellschaft ebenfalls als Lehrstück dienen: Zuerst sagte die Künstlerin kurz vor der Ausstellungseröffnung Anfang Dezember ab, dann rauften sie und der Leiter des Hauses, Veit Görner, sich doch noch zusammen. Kompromisse auf beiden Seiten und eine verspätete Vernissage setzten langen Querelen ein Ende.
Görner sprach von „Ausstellungsvorbereitungsterror“, die Künstlerin fühlte sich ihrerseits von der männlich dominierten Führung gegängelt und durch ein zu knappes Budget eingeengt. Statt des geplanten Films über Max Pechsteins männlichen Blick auf seine weiblichen Modelle auf der Südseeinsel Palau zeigt Krystufek nun den abgefilmten E-Mail-Verkehr mit dem Direktor. Triftige Institutionskritik sieht anders aus. Eine Konzentration auf wichtige Arbeiten und weniger „Mail-Art“ hätten mehr überzeugt.

 

Kestnergesellschaft, Hannover, bis 7. Februar