Fünf Fragen an: Malcom McLaren

 

Herr McLaren, Sie waren Manager der Sex Pistols, haben den Punk mit erfunden und zusammen mit Ihrer Freundin Vivienne Westwood den Fetischladen „Sex“ betrieben. Für all das hätten Sie nicht Kunst studieren müssen, oder?
Na ja, wir waren alle damals sehr von Warhol und seiner Factory beeinflusst. Wir wollten das alles noch mal machen. Den Laden an der King’s Road habe ich immer als eine Art Installation betrachtet, und die Sex Pistols waren meine Velvet Underground. Wir hatten zwar weniger Glamour, waren dafür aber politischer.

Jetzt zeigen Sie in einer Videoarbeit Ausschnitte aus Pornos der 60er- und 70er-Jahre, die mit Musiksamples unterlegt sind. Woher kam die Idee?

Martin Creed und einige andere Künstler haben mich zu einer Gruppenaus- stellung in New York eingeladen. Ich war erst skeptisch, aber die haben nicht lockergelassen. Ich wollte immer ein Album machen, das von der gesamten Popkultur handelt. Also habe ich 500 CDs gekauft, ein Studio gemietet und herumgebastelt: eine Strophe aus einem Song, ein Refrain aus einem anderen. Am Ende hatte ich 21 Tracks. Erst danach habe ich über Bilder nachgedacht und hatte schnell eine simple Idee: Wie wäre es, wenn ich in dieser Pornofilmwelt Porträts von Menschen finden könnte, die glauben, wünschen, hoffen, fürchten oder entscheiden, im nächs­ten Moment Sex zu haben? Und zwar ohne dass man den Sex im Film sieht. Der Akt war für mich irrelevant.

Wieso das?
Weil es mir um dieses Gefühl ging, das ich damals hatte, als ich zum ersten Mal eine Rock-’n’-Roll-Platte auflegte und mich sexuell befreien wollte. Ich fragte mich, ob ich auch mit 62 immer noch ein Gefühl erzeugen könnte, das so rein ist. Ich bin ja nicht mehr so unschuldig.

Die Sequenzen, die Sie mit Schnulzen unterlegen, wirken schon unschuldig. Andere Passagen scheinen absurd. Da gibt es einen Mann, der pausenlos mit dem Staubsauger über den Teppich schubbert.
Ich habe nach den besonderen zwei, drei Sekunden gesucht, in denen die Körpersprache der Schauspieler Erwartung von, Hoffnung auf, Furcht vor oder Frustration über Sex ausdrückt. Es sollten Porträts sein, Bilder. Es sollte nicht wie dieses grässliche Zeug aussehen – Video.

Sie haben ihre Filmserie „Shallow“, „oberflächlich“, genannt. Aber die gezeigten Gefühle scheinen doch sehr tief. Wird die Pornografie hier im Kunstkontext geadelt?
Vielleicht ein bisschen. Die Filme verlieren ihren Warencharakter. Das ist wie beim Punk, der war ja auch antikommerziell. Wissen Sie, ich erinnere mich daran, dass ich als Student Filme gesehen habe, bei denen man auf den Sex warten muss­te. Es gab immer eine Geschichte, die zum Sex hinleitete. Deshalb interessiert mich das Vorspiel. Ich denke, dass bei jeder Form des sexuellen Akts das Vorspiel am meisten über den Charakter und die Gefühle der Menschen offenbart.