Viennafair

Flanieren statt Feilschen

"Hoffentlich wird es nicht so wie in Berlin, wo vor lauter Satelliten niemand merkt, dass die Hauptmesse wegbricht", hörte man es noch kurz vor dem Start der Viennafair unken. Sorgen hat man sich um die Messe mit dem Schwerpunkt Ost- und Südosteuropa in der Vergangenheit zwar viele gemacht, aber totgesagt, wie das Art Forum, hat man sie bisher noch nicht.

Nach den sehr kräftigen Lebenszeichen der am Sonntag zu Ende gegangenen Viennafair hat sich das einstweilen auch erübrigt. Geadelt hat die Wiener Messe heuer eine ganze Reihe alter (Jennyfair) und neuer Off-Satelliten (Parkfair, One Day Before), die Qualität und Umtriebigkeit des Standorts Wien wurde teils lautstark bewiesen. Angestachelt hat das Messegeschehen auch die neue, kleinere Messe des Kunstmagazins Spike "Fruits, Flowers and Clouds", die ganz auf Einzelpräsentationen setzte und Galerien wie Johann König und Neu aus Berlin oder Kilchmann aus Zürich nach Wien brachte.

Mit dem neuen künstlerischen Leitungsduo Hedwig Saxenhuber und Georg Schöllhammer für die Viennafair hatte man quasi die Flucht nach vorn unternommen und den kritisch beäugten Fokus Ost- Südost mit zwei ausgewiesenen Experten sogar noch ausgebaut. Dass die Kuratoren, Kunstkritiker und Biennale-Fans ihre Marktferne bis zuletzt betonten, sorgte nicht gerade für Euphorie unter den teilnehmenden Wiener Galerien. Dennoch gelang es, diese wieder geschlossen zur Teilnahme zu motivieren.

Auch das im dritten Jahr parallel zur Messe stattfindende Galerieprojekt "curated by", eine Leistungsschau ähnlich des Berliner Gallery Weekends, nahm den Ost-Schwerpunkt ernst, was sich in anspruchsvollen Präsentationen u.a. mit Jiří Kolář und seiner Frau Běla Kolářová (Galerie Krobath) oder Stano Filko (Galerie Layr) niederschlug. Für das Projekt zeichnet die Wiener Förderagentur für die Kreativwirtschaft "departure" verantwortlich. Deren Leiter Christoph Thun-Hohenstein wurde am Montag als neuer Direktor des Wiener Museums für angewandte Kunst und Nachfolger des fristlos entlassenen Peter Noever präsentiert.

Zur Preview der Viennafair wich die Skepsis großer Begeisterung: Statt labyrinthischem Kojen-Einerlei ein großzügiges und offenes Raumkonzept (Architekt Johannes Porsch). Breite Achsen, von der eine zu einer 17 Meter breiten Piazza anschwoll, ermöglichten Orientierung. Wozu Wände? Die Transparenz war wohl ansteckend, und so präsentierte die Wiener Galerie Senn die surrealen Objekte des jungen polnischen Künstlers Tomasz Kowalski quasi hüllenlos auf einem Stück weißen Boden. Insgesamt bot sich eine Atmosphäre des Flanierens, die zwar zum Genießen einlud, sich aber, schenkte man den Galeristen gen Messeende Glauben, nicht ganz in Verkaufszahlen niederschlug.

Ausverkauft waren schließlich – welche Ironie! – die kunstmarktfernen Arbeiten, ließ Schöllhammer wissen. Dieses "Temporary-Sales-Zone " genannte Areal, das die Kunst nicht im White Cube, sondern auf Sperrholzplatte präsentierte, gehörte zu den Wagnissen der Viennafair: Die neuen Leiter luden Institutionen wie das VCRC in Kiew oder Alte Arte in Kishinau (Moldau) ein, Künstler zu präsentieren, die zwar auf Biennalen, nicht aber am Markt präsent sind.

Besonders gut passten hier die kleinen Blätter der Ukrainerin Alevtina Kakhidze, da sie ironisch auf die Gemachtheit der Preise anspielten. Die Künstlerin zeichnet Alltagsgegenstände – für  Kakhidze entweder entbehrliche oder erschwingliche, wobei der Preis für die Güter - 14 Euro für eine Seife in Schwanenform, 446 Euro für ein Gucci-Täschchen – auch den Preis der ins Zweidimensionale einer Zeichnung übersetzten Ware bestimmte.

Gelungen ist auch der Fokus auf die junge virulente Kunstszene Istanbuls. Vier Galerien aus vier unterschiedlichen Vierteln der türkischen Metropole am Bosporus machten gute Figur: sehr junge Positionen von überwiegend weiblichen Künstlerinnen von artSümer aus Beyoğlu und x-ist aus Nişantaşı. Bei Rampa Istanbul aus Beşiktaş sind bereits etabliertere Künstler im Angebot: so etwa Ayse Erkmen, die die Türkei auf der Biennale Venedig vertreten wird, die in Wien lebende Nilbar Güres oder der abstrakte Maler Ahmet Oran. Politisch kritischere Positionen findet man hingegen in der Outlet Gallery aus dem zentrumsnahen Tophane. Provozierend Sener Özmens muslimischer Superman beim Gebet oder Burak Deliers Foto einer Frau mit Europaflaggen-Burka. Nächstes Jahr will man diese Galerien im "normalen" Bereich der Messe etablieren - bleibt abzuwarten ob das gelingt. Bewiesen wurde schon jetzt, dass eine Messe mit einem Spritzer Biennale möglich ist. Ob es sich hierbei um ein Symptom der allgemeinen Annäherung zwischen Institution und Markt handelt ist eine andere Frage.