Obama-Fotograf Pete Souza im Interview

"Ich wollte zeigen, wer er ist"

Gespräch mit Pete Souza, dem offiziellen Fotografen des Weißen Hauses in der Obama-Ära

Wer an die Präsidentschaft Barack Obamas denkt, hat mit großer Wahrscheinlichkeit ein Bild von Pete Souza im Kopf. Der Fotograf, der für das Weiße Haus auch schon Ronald Reagan inszenierte, war acht Jahre lang an Obamas Seite und hat Flickr und Instagram als schnelle Kommunikationswege in der Politik etabliert. Wir haben mit ihm über Partei-Ästhetik, Reagan im Bademantel und den gemalten Obama gesprochen.

Herr Souza, Sie haben sowohl für den Republikaner Ronald Reagan als auch für den Demokraten Barack Obama als offizieller Fotograf gearbeitet. Gibt es so etwas wie eine Partei-Ästhetik?
Das würde ich nicht sagen, es geht eher um die einzelne Person. Vielleicht mögen es die Republikaner ein wenig formeller. Und sie lieben rote Krawatten. Aber eine Partei wird immer aus Individuen geformt.

Reagan kam als Schauspieler aus Hollywood. Hat es das einfacher oder schwerer gemacht, ihn zu fotografieren?
Ich glaube, er war sich der Kamera bewusster als Obama. Ich habe seine Amtszeit nicht von Anfang an begleitet, deshalb kann ich nicht sagen, wie er in der ersten Zeit als Präsident auf die Omnipräsenz der Kamera reagiert hat. Bei Obama habe ich von Anfang an mitbekommen, wie er sich daran gewöhnen musste, dass ich jeden Tag dabei bin. Wir sind zusammen in unsere Rollen hinein gewachsen.

Gab es für die beiden Präsidenten unterschiedliche Regeln?
Es gibt keine festgeschriebenen Regeln oder Handbücher, es sind eher die persönlichen Gespräche mit den Präsidenten, die festlegen, wie viel Zugang man bekommt. Das hat auch mit persönlichem Vertrauen zu tun. Wie gesagt, ich habe Präsident Reagan nicht gut gekannt, als ich den Job begonnen habe, deshalb war die Nähe am Anfang nicht sehr groß. Obama hatte ich dagegen schon vier Jahre lang vor seiner Wahl zum Präsidenten fotografiert. Er hat verstanden, was ich mache, und dass ich meinen Job ernst nehme. Er hat mir Zugang zu praktisch allem gegeben.

Sie bewundern den Fotografen Yoichi Okamoto, der Lyndon B. Johnson im Bett und im Krankenhaus festgehalten hat. Wäre eine solche Intimität mit Reagan oder Obama denkbar gewesen?
Ich habe auch Bilder von Präsident Reagan im Bademantel, er hatte ja Dickdarmkrebs während seiner Amtszeit, und ich habe Fotos von ihm nach seiner Operation gemacht, wie er mit Beratern spricht. Aber die Bilder von Okamoto, wo LBJ einfach im Bett liegt und Fernsehen schaut – ich glaube, das hätten weder Reagan noch Obama gewollt.

Gibt es Bilder, die Sie gern gezeigt hätten, die Sie aber nicht zeigen dürfen?
Ja, ich habe ein paar Fotos, die unter Verschluss sind. Aber das liegt nicht an der Darstellung von Obama, sondern an den anderen Personen, die abgebildet sind. Der Inhalt ist heikel, mehr kann ich nicht sagen. Aber irgendwann werden die Leute alle meine Bilder sehen können. Sie gehen in Nationale Archive und werden für immer aufgehoben. Es wird also alles ans Licht kommen.

Hat sich der Stellenwert der Fotografie von Reagan zu Obama verändert?
Ja, vor allem wegen Social Media. Bei Reagan gab es noch nicht mal das Internet, jetzt gibt es all diese Bildkanäle. Meine Bilder von Obama sind den Leuten viel präsenter, es ist viel wahrscheinlicher, dass sie ihnen begegnen. Meine Arbeit für Ronald Reagan hatte nie diese Reichweite.

Sie haben schon zu Beginn der Amtszeit Obamas offizielle Fotos aus dem Weißen Haus auf Flickr hochgeladen. Eine schnelle praktische Form von Propaganda?
Ich war mir immer bewusst, dass die Bilder politisch instrumentalisiert werden können, aber wir haben versucht, authentische Bilder von dem zu zeigen, was gerade passiert. Ich finde nicht einmal alle Bilder schmeichelhaft. Es gibt Aufnahmen, bei denen Obama nach dem Amoklauf in Newtown mit Sicherheitsberatern spricht und keine besonders gute Figur macht. Bilder können immer politisch benutzt werden, aber ich habe meine Arbeit eher als Dokumentation gesehen.

Ihr Foto aus dem "Situation Room" während der Erschießung von Osama bin Laden könnte man fast ein Historiengemälde nennen. Wie war es für Sie, so nah dran zu sein, wenn so brutale Entscheidungen getroffen wurden?
In diesem besonderen Fall war mir die historische Qualität sehr bewusst – nicht nur die des Bildes, sondern des ganzen Tages. Man macht natürlich weiter seine Arbeit, aber manchmal wird einem eben bewusst, dass manche Ereignisse länger im Gedächtnis bleiben werden als andere.

Können Fotografen fürs Weiße Haus eine politische Meinung vertreten?
Sie können eine politische Meinung haben, natürlich, sie müssen sie aber für sich behalten. Das Einzige was schwierig wäre, ist, wenn ein Fotograf den Präsidenten nicht respektiert. Ich habe nicht alles gutgeheißen, was Ronald Reagan getan hat, aber ich habe ihn als Präsidenten und als Menschen respektiert. Er hat den Job ernst genommen. Es wäre schwierig, für jemanden zu arbeiten, den man nicht für eine anständige Person hält.

Nach dem Amtsantritt von Donald Trump haben Sie auf Ihrem Instagram-Account Fotos von Obama gepostet, die man für Seitenhiebe in Richtung Trump halten könnte. Wenn es hieß, dass Trump sich weigert, Memos zu lesen, haben Sie Obama konzentriert mit dicken Aktenordnern veröffentlicht. Waren das politische Statements?
Ich weiß nicht, was glauben Sie?

Man könnte zumindest eine gewisse Nostalgie für die Obama-Amtszeit vermuten.
Ich sage es mal so: Ich war auf Instagram viel subtiler und respektvoller als es bestimmte Leute auf Twitter sind. Den Rest muss sich jeder selbst zusammenreimen.

Wenn Trump der Twitter-Präsident ist, war Obama der ideale Präsident für Flickr und Instagram?
Nicht unbedingt, das werden wir erst noch sehen. Die aktuelle Regierung scheint diese Bildplattformen nicht in der Art zu nutzen, wie wir es getan haben. Aber das heißt nicht, dass es in Zukunft nicht Präsidenten gibt, die die Möglichkeiten der visuellen Kommunikation genauso gut oder besser nutzen. Wir waren sicherlich die ersten, die diese Kanäle bespielt haben, Instagram gibt es ja erst seit 2010, wir nutzen es seit 2012. Insofern haben Sie Recht, dass Obamas Präsidentschaft mit diesen neuen Medien verbunden sein wird.

Aber braucht es nicht einen Präsidenten mit Charisma und Selbstdarstellungstalent, damit solche Fotos überhaupt die gewünschte Wirkung entfalten? Für die Deutschen wäre die Vorstellung von Angela Merkel, die in ihrem Büro auf dem Teppich liegt und ein Baby in die Luft hält, wohl eher befremdlich …
Es gibt viele Wege, die Plattformen zu nutzen. Ich finde der Bundestag hat einen interessanten Instagram-Kanal mit guten Bildern, auch wenn es dort keine privaten Einblicke in Angela Merkels Leben gibt.

Hat das öffentliche Image des coolen, sportlichen, souveränen Präsidenten auch politische Fehler Obamas überdeckt?
Niemand ist perfekt, und das wollen die Bilder auch gar nicht suggerieren. Ich wollte einfach zeigen, wer er ist. Die Leute werden ihre eigenen Schlüsse aus seiner Präsidentschaft ziehen.

Würde es Sie interessieren, Trump zu fotografieren?
Ich habe einige Bilder von ihm, als er ein paar Tage nach der Wahl ins Weiße Haus kam. Aber ich würde mich nicht darum bemühen, ihn fotografieren zu dürfen.

Wie würden Sie seine Ästhetik beschreiben?
Ich weiß nicht. Ganz schön viele Flaggen im Oval Office.

Vor kurzem wurde das Obama-Porträt von Kehinde Wiley in der National Portrait Gallery enthüllt. Gefällt es Ihnen?
Ja, ich mag es.

Kann ein Gemälde etwas einfangen, was ein Foto nicht kann?
Ein Gemälde kann viel freier interpretieren. In dem Bild gibt es Blumen, die Obamas Herkunft symbolisieren: Kansas, wo seine Mutter aufgewachsen ist, Hawaii, wo er geboren wurde und Kenia, das Geburtsland seines Vaters. Die Leute waren zuerst verwirrt, dass das Porträt so verspielt ist, weil sie dachten, dass es im Weißen Haus hängen wird. Aber es wird zwei Malereien geben: eine für die National Portrait Gallery und eine für die Präsidentengalerie im Weißen Haus, die ist klassischer. Ich finde Kehinde Wileys Bild perfekt für ein Kunstmuseum. Malerei ist zeitlos und immer eine Interpretation. Ich habe versucht, Momente aus der Realität einzufangen.