Francis Offman in Wien

Mit Kaffee aufbrühen, was war

In Wien verbindet Francis Offman persönliche Erinnerungen mit kolonialer Geschichte, Migrationserfahrung und europäischen Alltagsriten. Eine leise, aber eindringliche Ausstellung über globale Verflechtungen

Ein schwacher Hauch von Kaffee liegt in der Luft, wenn man sich der Ausstellung "Weaving Histories" von Francis Offman in der Wiener Secession nähert. An den Wänden des schmalen Treppenhauses hat der Künstler getrockneten Kaffeesatz angebracht – mit einem Bindemittel fixiert, sodass die ehemals glatten weißen Flächen nun von unregelmäßigen braunen Schichten bedeckt sind. Die Oberfläche wirkt rau, sandig, geradezu haptisch.

1987 in Butare, Ruanda, geboren, lebt Francis Offman heute in Bologna. 1994 wurde er als Kind Zeuge des ruandischen Genozids – jenes Massakers, bei dem unter Duldung der Weltöffentlichkeit Hutu-Milizen innerhalb weniger Monate Hunderttausende Tutsi ermordeten, um sie als ethnische Gruppe auszulöschen.

In seinen Arbeiten verarbeitet Offman Flucht- und Migrationsgeschichten seines Heimatlandes. Neben dem omnipräsenten Kaffee tauchen auf seinen Leinwänden noch weitere persönliche Spuren auf: Stofffetzen aus alten Kleidern seiner Mutter, geschenkte Gegenstände von Freundinnen und Freunden oder auf DIN-A4-Papier gedruckte, verschlüsselte Codes. Diese Materialien webt der Künstler wie autobiografische Fragmente in seine Malerei ein.

Schwebende Stoffbilder, leuchtende Erinnerungen

Im Grafikzimmer der Secession zeigt Offman zwei großformatige, farbstarke Gemälde sowie einige kleinere Arbeiten, aus denen die eingearbeiteten Elemente über die Leinwände hinausragen. Es sind leuchtende Bilder des Verlusts eines im Exil lebenden Künstlers – und zugleich heilsame Wiederfindungsbilder verlorener Welten.

Die Malereien von Francis Offman knüpfen an eine globale Moderne an – man denkt etwa an Paul Klee oder Etel Adnan. Unbetitelt schweben sie in ihrer Leichtigkeit im Raum. Mit kleinen Nägeln an die Wand geheftet, hängen die Stoffbahnen ungespannt und leicht gewellt, fast wie Tapisserien. Die weißen Wände dahinter sind mit silbrigem Glitzerstaub überzogen, was Offmans alltäglichen Materialien eine leise, magische Aura verleiht.

Bei längerer Betrachtung entstehen immer neue Assoziationen: Die Abstraktionen des Künstlers erinnern ebenso an kosmische Bildwelten wie an von Kolonialmächten vermessene Landkarten oder ausgelöschte Territorien. Sie öffnen sich den Besucherinnen und Besuchern wie Tore zu einer Welt, die zugleich gegenwärtig und unerreichbar erscheint.

Identität in der Tasse

Im Dialog mit dem Publikum eröffnet Offman auch einen lokalen Diskurs: Mit seiner Intervention im Herzen nationaler Kunstproduktion lenkt er den Blick auf die Herkunft der sogenannten Wiener Melange – und hinterfragt damit die kulturelle Zugehörigkeit eines vermeintlich "österreichischen" Getränks.

In der paradoxen Doppelrolle des Kaffees als globaler Ware spiegelt sich das eigene Selbstverständnis des Künstlers als Migrant und sein vielschichtiger Begriff von Heimat. Sein bevorzugtes matériau trouvé ist gebrauchter Kaffeesatz, den er in italienischen Espressobars sammelt. Als Ressource verbindet er zwei Kontexte, die beide identitätsstiftend wirken: den Espresso in Italien ebenso wie die Melange in Wien. Beide Getränke gehören seit Jahrhunderten zu einer lokalen wie kollektiven paneuropäischen Identität – einer westlich-modernen Alltagskultur, deren wichtigste Zutat jedoch nicht in Europa wächst.

In Ruanda ist das Verhältnis ein anderes. Kaffee wird dort produziert, meist unter (neo-)kolonialen Bedingungen auf Plantagen und in Fabriken. Er ist Teil einer panafrikanischen Identität – aber einer, die von Ausbeutung geprägt ist. Wenn Offman zurückblickt, erinnert er sich: In seiner Kindheit wurde in Ruanda kaum Kaffee getrunken. In Italien hingegen, wo er seit 1999 im politischen Exil lebt, ist der Espresso allgegenwärtig. Und doch war es ausgerechnet eine Packung ruandischer Bohnen, die seine Mutter beim ersten Besuch aus der alten Heimat mitbrachte – als ein Stück Zuhause.

Schnittstelle zwischen den Welten

Die Malereien von Francis Offman stehen in der Tradition eines europäischen Kunstverständnisses, das er an der Kunstakademie in Bologna aufgenommen hat. Zugleich spiegeln sie eine transkulturelle Gegenwart, die aus der postmigrantischen Erfahrung heraus entsteht.

In einem Punkt unterscheidet sich Offmans Technik deutlich von klassischen Avantgarde-Praktiken, wie die Kuratorin Carolyn Christov-Bakargiev im Kataloggespräch betont: Zwar arbeitet der Künstler mit recycelten Alltagsmaterialien, verrät dem Publikum jedoch zunächst nicht, dass es sich um objets trouvés handelt. Wie einst Marcel Duchamp oder Daniel Spoerri zeigt auch Offman, dass selbst Abfall zur Grundlage abstrakter, hochästhetischer Kunst werden kann. Er entzieht den Objekten ihre ursprüngliche Funktion und webt sie in ein universelles Netz aus persönlichen Erinnerungen und Bedeutungen ein.

Die kommunikative Kraft seiner Arbeiten entfaltet sich dabei im Dialog mit dem Publikum: Erst in der Wiedererkennung gemeinsamer oder voneinander abweichender Alltagserfahrungen werden Offmans Gemälde als Schnittstellen zwischen Welten lebendig.