"Freud über Freud" im Kino

Der Psychoanalytiker legt sich selbst auf die Couch

Die Kunst hat Sigmund Freud viel zu verdanken, tut sich aber auch schwer mit seinen Trieben und Träumen. Ein neuer Film lässt den Vater der Psychoanalyse selbst zu Wort kommen - ein durchaus gelungenes Experiment

Im Wiener Unteren Belvedere bekommt man zurzeit in der Schau "Dalí – Freud. Eine Obsession" die Gelegenheit, sich in Salvador Dalís "ödipale" Fixierung auf Sigmund Freud zu vertiefen, zwei Ikonen des 20. Jahrhunderts, deren Zuneigung eher auf Einseitigkeit beruhte. Dalí himmelte den Begründer der Psychoanalyse an, verschlang seine "Traumdeutung", die in ihm eine "Sucht nach Selbstdeutung" auslöste, während Freud weder wirklich etwas mit der aus seiner Analyse schöpfenden Ikonografie des Surrealismus anfangen konnte noch mit dem "fanatischen" Spanier selbst, dem er als 80-Jähriger im Londoner Exil ein einziges Mal begegnete.

Ein erstaunliches Revival erlebt der "Penisneid"-Fabulierer, der die verborgenen sexuellen Wünsche und Ängste von Hysterikerinnen nur aufspürte, um sie sogleich wieder in das Korsett patriarchaler Sexualität zu pressen, gerade auch auf der Biennale in Venedig, auch wenn unter umgekehrten Vorzeichen. Rechnete der französische Philosoph und Provokateur Michel Onfray in "Anti Freud. Die Psychoanalyse wird entzaubert" 2010 noch mit seinem "homophoben" Jugend-Idol ab und attestierte dessen Methoden "magisches Denken", ist genau dieses wieder das Heilmittel der ersten Wahl. Es lebe der Neo-Surrealismus, die Irrationalität, die gute alte Modernekritik und milchige Träume, gerne auch freudianisch - aber bitte nur von Frauen!

Nicht nur die Wandlungsfähigkeit des Körpers wird von Kuratorin Cecilia Alemani aufs Podest gestellt, auch die Weiten des Unbewussten erscheinen wieder als dankbares Terrain für eine von der Schwere der Welt befreiende Introspektion, flankiert von neurowissenschaftlichen Ausflügen in das "Human Brain", wie sie gerade die Fondazione Prada in Venedig anbietet. Kein Wunder also, dass es der zivilisationskritische Freud auch ins Kino schafft. Mit einer erfreulichen Drehung: Der Entdecker der terra incognita der Seele gibt in David Tebouls Doku "Freud über Freud" tatsächlich Auskunft über keinen anderen als sich selbst - und der österreichische Schauspieler Johannes Silberschneider leiht ihm dabei seine Stimme.

Der alte Mann schwelgt in der Kindheit

Zu hören ist die umfangreiche Briefkorrespondenzen, die bis zu Freuds Flucht vor den Nazis im Jahr 1938 reicht. Man lernt sein Netzwerk kennen, den Berliner Arzt Wilhelm Fließ, den Schweizer Psychiater C.G. Jung, die Dichterin Lou Andreas-Salomé oder die französische Analytikerin und Napoleon-Verwandte Marie Bonaparte. Der alte Mann schwelgt in der Kindheit und erinnert sich an Begebenheiten, die er sogleich psychoanalytisch deutet. Er erzählt von der Familiengründung, den frühen Jahren als Arzt, der Krebserkrankung der Mundhöhle, seiner jüdischen Herkunft und der Rolle seiner Tochter Anna, gesprochen von Birgit Minichmayr, für die Weitergabe seines Vermächtnisses.

Damit es nicht zu wortlastig wird, spürt Teboul bislang unveröffentlichte Archivfilme im grobkörnigen Schwarz-Weiß auf, montiert Ausschnitte aus alten Stummfilmen an Fotos aus dem privaten Nachlass der Familie, die dem freudschen Imperativ "freies Assoziieren" Flügel verleihen sollen. Das funktioniert durchaus, zumal Experten diesmal Sendepause bekommen, gepasst hätten sie in die somnambule Verschworenheit einer ausgerechnet von Frauen geprägten Privatsphäre ohnehin nicht.

Dazu gehört in dem diskreten Filmmosaik auch Catherine Deneuve, die den stimmlichen Part von Marie Bonaparte übernimmt. Diese hatte Freud zu seiner Flucht nach London verholfen, während vier seiner Schwestern im KZ umkamen. Nein, Angriffslust ist Tebouls Sache nicht. Er versetzt das Publikum lieber in eine intime Therapiesitzung, die ihnen die Bereitschaft zum Eintauchen in eine Gedankenwelt abfordert. Faltig ist sie geworden und bleibt doch auch immer noch triebhaft, aggressiv, traumatisiert, zwanghaft und verdrängungswillig genug, um bestens in die aktuellen Debatten der Republik zu passen.