Galerist Felix Rödder

"Gute Kunst wird sich immer verkaufen lassen"

In New York haben gerade mehrere renommierte Galerien geschlossen, der Rheinländer Felix Rödder macht trotzdem eine neue auf. Hier spricht er über seine Beweggründe, sein Programm und aktuelle Wendepunkte auf dem Kunstmarkt
 

Felix Rödder, Sie sind gebürtiger Kölner und studierter Jurist - wie wurden Sie zum Galeristen in New York?

Ich bin im Rheinland aufgewachsen, in Köln geboren und in Bonn zur Schule gegangen. Ich habe schon in meiner Jugend die fantastischen Museen der Region besucht. Die Dichte erstklassiger Kunst ist im Rheinland ja beeindruckend hoch. Meine Eltern waren zwar keine Sammler, aber wir sind trotzdem gern in Galerien und Museen gegangen. Das hat mich dann auch während meines Jurastudiums weiter beschäftigt, und ich habe mit dem Gedanken gespielt, mich als Anwalt auf Kunstrecht zu fokussieren. Der entscheidende Wendepunkt war dann aber 2019 ein Stipendium, das mich nach Los Angeles an eine law school brachte. Hier habe ich dann auch angefangen, für den deutschen Galeristen Thomas Zander zu arbeiten und manche seiner amerikanischen Künstlerinnen und Künstler zu betreuen. 

Wann sind Sie dann nach New York gezogen?

Das war während der Pandemie, also durchaus antizyklisch. Zu dem Zeitpunkt haben sehr viele Menschen New York verlassen. Aber mir bot sich die Chance, bei David Zwirner in einer Direktorenrolle als Teil seines Verkaufsteams anzufangen, was ich sehr aufregend fand. Ich konnte dort unter anderem zwei größere Ausstellungen mit Gerhard Richter in New York und London mit organisieren und empfinde meine Zeit bei Zwirner im Nachhinein als eine sehr gute Lernerfahrung. Gleichzeitig war mir schon immer klar, dass ich irgendwann einmal eine eigene Galerie haben will.

Ihre Frau arbeitet als Galeristin bei Gagosian. Werden Sie als power couple wahrgenommen? 

Kunsthändler ist man natürlich mit seinem ganzen Leben und nicht nur zwischen neun und fünf. Das macht unser Leben ebenso aufregend wie anstrengend. Gleichzeitig ist es auch wundervoll, gemeinsam Reisen, Eröffnungen und Events erleben zu können, und dass man die Leidenschaft für Kunst teilt. 

Gibt es etwas, dass Sie bei David Zwirner gelernt haben, das Sie letztlich zu Ihrer eigenen Gründung bewogen hat?

Vor allem, dass sich allein eine hohe Qualität durchsetzt. Nur eine sehr hohe Qualität kann man bei Sammlern und Kuratoren wirklich gut vertreten. Und nur Qualität wird sich auch über Jahre oder Jahrzehnte durchsetzen und gedeihen. 

Was glauben Sie, in Ihrem eigenen Laden anders machen zu können?

Ich werde mich vor allem dafür einsetzen, eine Sache nicht anders zu machen: Ich möchte die bestmöglichen Ausstellungen produzieren, mit den besten Künstlerinnen und Künstlern arbeiten und auch die besten Arbeiten auf dem Sekundärmarkt vermitteln. Ein signifikanter Unterschied ist dabei aber natürlich das Volumen. Ich habe mich dazu entschieden, ein kleines Unternehmen zu sein und beabsichtige auch nicht, exponentiell wachsen. Immer schneller, immer größer - das interessiert mich nicht. Dieser Rausch der letzten Jahre ist vorbei. Entscheidend ist es, im Primärmarkt vertretbare Preise aufzurufen und im Sekundärmarkt Ware zu beschaffen, die exzellent und gleichzeitig marktfrisch ist. Ich möchte in dem neuen Marktumfeld etwas entwickeln, das über Jahre oder auch Jahrzehnte hinweg überzeugend bleibt. Ein Galeristen-Freund und ich kamen kürzlich im Gespräch salopp auf ein Motto dafür: Art good, overhead low. 

Was bedeutet das für Ihre Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern? 

Offen gestanden glaube ich, dass man als Galerie gerade mit dieser Genauigkeit wirklich punkten kann. Nach dem Rausch der letzten Jahre und dem immensen Produktionstempo sind viele Künstlerinnen und Künstler, mit denen ich im Gespräch bin, eher von der Idee angezogen, in einem kleinen Galerieraum fünf Arbeiten zu zeigen, die wirklich sitzen und zum Nachdenken anregen.

Sehen Sie sich als eher konservativer oder disruptiver Unternehmer? 

Weder noch - oder sowohl als auch. Natürlich gibt es wichtige Galeristen-Figuren in der Geschichte des 20. Jahrhunderts, deren Weg mich beeindruckt; Ernst Beyeler etwa oder Pierre Matisse könnten eine gewisse Vorbildfunktion einnehmen. Gleichzeitig denke ich aber, dass eine Galerie heute ganz eigene, neue Wege gehen muss und insbesondere in New York die eine oder andere Lücke schließen sollte - das wäre dann eher disruptiv. Also doch sowohl konservativ als auch disruptiv ...?

Sie sind während der Pandemie nach Manhattan gezogen und gründen eine Galerie an einem Tiefpunkt des Kunstmarkts. Warum fühlen Sie sich ermutigt und nicht entmutigt?

Ich glaube, die Kunst war immer schon gut beraten, nicht von der Nachfrage her gedacht zu entstehen. Will heißen: Gute Kunst wird sich immer verkaufen lassen. Denn Menschen werden auch weiterhin sammeln wollen. Das ist ein urmenschlicher Trieb, ein urmenschliches Empfinden, das sich auch über Generationen hinweg erhalten kann.

Nach Blum, Venus Over Manhattan und Kasmin hat nun auch die Clearing Gallery ihre Schließung angekündigt. Wie bewerten Sie diese Situation auf dem Markt?

Das muss immer von Fall zu Fall betrachtet werden, und die Umstände und Gründe für die Schließungen dieser vier Galerien könnten unterschiedlicher kaum sein. Daher finde ich es schwer, diese über einen Kamm zu scheren. Galerie-Eröffnungen und -Schließungen sind ja von jeher ein Teil dieses Ökosystems gewesen. 

In der Konsequenz der Abkühlung des Marktes stecken auch die Messen in einer großen Krise. Ist das Modell Messe am Ende? 

Ich glaube, auch hier empfiehlt sich eine Einzelfallbetrachtung. Messen sind nach wie vor aus Besuchersicht der effektivste Weg, so viele Galerien wie möglich in einem kurzen Zeitraum kennenzulernen. Und aus Ausstellersicht muss man sich überlegen, wie wichtig dieses Modell für die Wahrnehmung der Galerie, deren Künstlerinnen und Künstler und die bottom line der Galerie ist. 

Aber sehen Sie nicht eine Gefahr, dass im aktuellen Markt nur die großen Player "too big to fail" sind - und die kleinen Galerien "too small to sustain"

Wir sind global betrachtet derzeit mit vielen Wendepunkten konfrontiert. Alle Galerien, egal welcher Größe, müssen sich immer neu erfinden. Eines steht fest: Das exponentielle Wachstum der letzten Jahre, die ich als Rausch bezeichnet habe, ist sicherlich in dieser Form an sein Ende gekommen. Aber vielleicht ist es auch ganz schön, wenn Kunst nicht mehr zu exorbitanten Preisen über das Handy-Display gekauft wird? Ich glaube wirklich sehr an eine gute Ausstellungserfahrung. 

Sie möchten in der Upper East Side Ausstellungen von musealer Qualität zeigen, heißt es in der Pressemitteilung Ihrer Galerie.

Ich empfinde es als eine motivierende Verantwortung, eine Galeriesituation gewählt zu haben, in der man die Kunst nicht vom Bürgersteig aus entdecken kann. Ein Besuch bei uns soll wie eine kleine Reise sein, auf die man sich begibt und einlässt. Das macht man ja bei seinem Besuch im Metropolitan Museum, das in unmittelbarer Nachbarschaft unserer Galerie liegt, auch nicht anders. Die richtige Präsentation wird unsere Besucherinnen und Besucher auch mit sich selbst konfrontieren - und damit der Kunst jene Aufmerksamkeit ermöglichen, die ihr gebührt.

In Ihrer ersten Ausstellung zeigen Sie den Künstler Wyatt Kahn. Wie kam es zu dieser Wahl?

Wir kennen einander schon seit einigen Jahren, und ich war von Anfang an sehr von der Qualität seiner Arbeiten überzeugt. Außerdem ist er ein Künstler, der sich intensiv mit der Kunstgeschichte beschäftigt. In der Ausstellung, mit der wir eröffnen, wird es beispielsweise formale Bezüge zu Ellsworth Kelly oder László Moholy-Nagy geben. Das interessiert mich an Künstlern: Wie treten sie in den Dialog mit der Kunstgeschichte? Denken sie groß und mutig? Wyatt arbeitet seit mehr als 15 Jahren überzeugend an seinem Werk und hatte bereits beeindruckende Solo-Ausstellungen, etwa im Haus Konstruktiv in Zürich.

Welche Rolle wird der Sekundärmarkt in Ihrem Programm spielen?

Mir geht es auch hier um Überraschungen und Wiederentdeckungen. Ich interessiere mich persönlich sehr für das frühe 20. Jahrhundert, und mir ist wichtig, dass sich historische Positionen in der DNA der Galerie ablesen lassen. Dazu kommt dann aber auch eine Ausstellung mit einer großartigen zeitgenössischen Bildhauerin, die in New York seit mehr als zehn Jahren nicht mehr gezeigt wurde. We’ll keep you posted.