Fake-Albumcover

Wenn Beuys Rockstar geworden wäre

Mit parodistischen Albumcovern vermählt der US-Künstler Gary Cannone zwei der größten kulturellen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts: Konzeptkunst und Popmusik

In den 60er-Jahren wollten plötzlich viele weg vom Fetisch des Objekts in der Kunst: fort von der Materie, hin zum reinen Geist. Aus der heutigen Gegenwart, in der immer klarer wird, dass die Konsumkultur uns den Planeten unter den Füßen wegzieht, ein wieder nachvollziehbares Begehren. Das Problem: Wenn die Idee die Stofflichkeit dominiert oder sie ganz va­po­ri­sie­rt, wird alles etwas ... schwammig. Warum also nicht ein Symbolbilder entwerfen, die das Ganze zusammenhalten – wie Albumcover. 

Gary Cannone aus Los Angeles spielte in den 80er-Jahren in einer Punk-Band und arbeitet als Künstler. Vor fünf Jahren fing er an, Kunstwerke und Künstler – vor allem aus der Minimal Art und Konzeptkunst – in fiktiven Albumcovern darzustellen. Nachdem er einige seiner Photoshop-Meisterwerke geteilt hatte, bekam er von anderen Leute weitere parodistische Cover-Art-Work zugeschickt. Cannone sammelte die besten auf einer Tumblr-Seite

Ein Still aus Bas Jan Aders ikonischem Kurzfilm "I'm too sad to tell you" (1970–71) wird da etwa Titelbild der LP "Missing Persons" – in Bezug auf das mysteriöse Verschwinden des niederländischen Künstlers.

Bas Jan Ader: Missing Persons
Courtesy Gary Cannone

Bas Jan Ader: Missing Persons
 

Joseph Beuys kommt gleich drei Mal vor: einmal als Flieger der Luftwaffe in Anspielung auf den Film "G.I. Blues" (1960), in dem die Geschichte eines von Elvis Presley gespielten US-Soldaten in der BRD erzählt wird; einmal als der entspannte Künstler, der er nie war, auf dem dem Album "Me Time" (Beuys lümmelt sich entspannt auf der Couch); dann als bleichgesichtiger und hohlwangiger Bandleader der Gruppe "Beuys II Men": 

Violet Ryder "Beuys II Men: How to Explain Pictures to a Dead Hare"
Foto: dpa

Violet Ryder "Beuys II Men: How to Explain Pictures to a Dead Hare"

Boys to Men: Aus Jungs werden Männer, und aus der Minimal Art werden Materialschlachten. Richard Serras Arbeit nahm zwar im Minimalismus ihren Anfang, entwickelte sich aber zu tonnenschweren und meterhohen Skulpturen aus oxidierten und gebogenen Platten. Dass sie pittoresk auf Bahnhofsvorplätzen aussehen, wussten wir, aber auch auf Heavy-Metal-LPs machen sie etwas her:

 Gary Cannone "Metal Ballads" 2015
Courtesy: Gary Cannone

Gary Cannone "Metal Ballads" 2015

Ebenso Walter De Marias Land-Art-Werk "Lighning Field" in New Mexico, auf dem 400 " Stangen auf dem freien Feld, die den Blitz "einfangen". Bei Cannone wird daraus ein Metallica-Album:

Gary Cannone "Walter De Maria: Ride the Lightning Field"
Foto: Courtesy Gary Cannone

Gary Cannone "Walter De Maria: Ride the Lightning Field"

Gary Cannone und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter arbeitet die dramatische Geste hinter der Kunst in der Mitte des 20. Jahrhunderts heraus. Was minimalinvasiv und konzeptlastig anfing, wurde schnell pompös und oft auch machohaft. Die Parallelen zur Entwicklung der Rockmusik aus der dreiminütigen Schmachtnummer bis zum Stadionrock führt Cannone in seinen Mashups gekonnt vor. Demnächst sollen sie als Buch erscheinen und bis zum 1. September sind sie in einer Ausstellung in Arcana zu sehen, einer Buchhandlung mit angeschlossenem Projektraum in Los Angeles. Wir zeigen eine Auswahl oben in der Bildstrecke.