Berlinische Galerie

Gegenteile von Schwarz und Weiß

Ad Reinhardt sagte einmal über seine „Black Paintings“, die matte Auffassung einer Bildoberfläche sei essentiell. Nie dürfe sie glänzen, gar spiegeln. Denn reflektierende schwarze Oberflächen seien beinahe surrealistisch. Wären wie ein Spiegel, der zur Welt außerhalb des Bildes Bezug nimmt.

Und so zerschlägt sich gleich der erste, sich demonstrativ aufdrängende Vergleich, wenn man auf die Werke von Gregor Hildebrandt in der Berlinischen Galerie trifft. Denn in der Ausstellung „Der Himmel im Raum“ spiegelt vieles, allen voran das wie auf Hochglanz polierte „Holzimitationsparkett“, das den Raum bis auf den letzten Millimeter ausfüllt.
 
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte man an sie gedacht, an Reinhardt oder einen Malewitsch, die zu ihren Zeiten schwarze Quadrate und Bildflächen salonfähig machten. Denn auch Hildebrandt zeigt schwarze, geometrische und vor allem monochrome Flächen, manchmal ebenfalls Quadrate. Zeigt einen schwarzen, fünf Meter hohen Vorhang. Klebt schwarz auf weißen Grund. Nur hängt hier auch dieses Selbstporträt auf Granit, direkt gegenüber dem Eingang, glatt und klar wie ein Spiegel. Man sieht den Künstler. Man sieht sich selbst. Man sieht den Raum, in dem der Künstler sein Werk, sein anderes Ich, zeigt. Man sieht die Deckenlichter auf dem reflektierenden Boden. Sieht wieder sich selbst. Wie Reinhardt sagen würde: Surrealismus in einer minimalistischen Umgebung.
 
Dem Vergleich zum Minimalismus muss sich der 1974 in Bad Homburg geborene Hildebrandt immer wieder stellen. Er arbeitet mit Nicht-Farbe, wie Reinhardt. Er entmaterialisiert Objekte unseres Alltags, entleert sie und lädt sie mit neuem Sinn auf, wie Donald Judd. Doch Hildebrandt bricht diese Parallelen konsequent. Er baut Titel oder Zitate in seine Bilder ein, klebt seine eigenen Wimpern mit Tesafilm hinzu und schafft so Realitätsfragmente, die seine Werke – entgegen dem Schein – doch nicht auf den ersten Blick lesbar machen.
 
Das wichtigste Element bei Hildebrandt ist nämlich noch etwas ganz anderes: Der Künstler arbeitet vor allem mit bespielten Bändern von Audio- und Tonkassetten. Diese dunklen, flirrenden und fragilen Bänder hängen von der Decke wie ein Vorhang, formieren sich auf dem Boden zu Parkettstücken und bilden Rhythmen auf weiß grundierten Leinwänden. Der Rhythmus der Musik wird zum Rhythmus des Materials. Nur wer aus Titeln wie „Warten auf den Morgen, der niemals kommt (3 imaginary boys, [Cure])“ Bezüge zu Liedern oder Bands einer Popkultur erraten kann, kommt Hildebrandts ganz persönlichem Soundtrack auf die Spur.
 
Die Bilder des in Berlin lebenden Künstlers und Trägers des Vattenfall Kunstpreises 2008 sind ebenso hermetisch wie faszinierend. Die „Baumstammschallplatte“ wirkt neben dem flächendeckenden „Holzimitationsparkett“, bestehend aus mit Musik bespielten Kassettenbändern, wie ein Paradox. „You can imagine the opposite“ – Du kannst Dir einfach das Gegenteil vorstellen, sagte einst Licht- und Konzeptkünstler Maurizio Nanucci.
 
Gegenteile von Schwarz und Weiß, von Material und Ästhetik, bilden so einen sehr gelungenen Raum in der Berlinischen Galerie. Tonträger werden bei Hildebrandt zum Trägermaterial der Kunst. Popkultur verwandelt sich in visuellen Impuls.
 
Bis 31. August 2009