Kassel

Documenta-Konzept: Gemischtes Fazit zur Halbzeit 

Zur Halbzeit der Documenta Fifteen in Kassel ziehen Experten ein gemischtes Fazit

"Wir haben es aktuell mit einem doppelten Drama zu tun, einerseits mit dem Antisemitismus-Elend und andererseits mit dem ästhetischen Elend einer programmatisch entkunsteten Ausstellung", sagte der Kasseler Kunstwissenschaftler und Documenta-Kenner Harald Kimpel. Die Ausstellung sei ein Ärgernis, wenn man sie als Documenta begreife. Allein der Verzicht auf das Erfolgsmodell einer allein verantwortlichen Künstlerischen Leitung sei ein Rückschritt.

Die Documenta gilt neben der Biennale in Venedig als weltweit bedeutendste Ausstellung zeitgenössischer Kunst. Die diesjährige Schau wird von Antisemitismus-Vorwürfen überschattet. Bereits im Januar waren erste Stimmen laut geworden, die das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa und einigen eingeladenen Künstlern eine Nähe zur anti-israelischen Boykottbewegung BDS vorwarfen. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung Mitte Juni war ein Banner mit judenfeindlichen Motiven entdeckt und abgebaut worden. Später tauchten weitere Werke auf, die scharfe Kritik auslösten.

Mit der zehnköpfigen Künstlergruppe Ruangrupa kuratiert erstmals ein Kollektiv die Weltkunstausstellung. Die Documenta Fifteen repräsentiert den Globalen Süden. Im Mittelpunkt steht nicht das Werk, sondern Kunst als kollektiver Prozess.

"Die Auswahl des Kollektivs Ruangrupa hat uns eine vielschichtige und anregende Horizonterweiterung verschafft, deren Auswertung noch lange nicht beendet sein darf", teilte hingegen das Documenta-Forum mit - eine Art Freundes- und Unterstützerkreis der Weltkunstschau. "Gerade weil die Documenta Fifteen durch viele Inspirationen die aktuell weltweit offensichtlichen Fragestellungen künstlerisch bearbeitet, kann sich das Documenta-Forum gut vorstellen, dass gerade diese Weltausstellung eine neue Seite in der Documenta-Geschichte aufschlägt, die diesen Globus noch viel umfassender als bisher in den Blick nimmt."