Kunstmesse Artmonte-Carlo

Gestrandet in Monaco

Der nicht immer geschmacksichere Stadtstaat Monaco will zum Kunstmarkt-Eldorado werden. Die Messe Artmonte-Carlo spielt dabei eine große Rolle. Ein Besuch

Nicht nur überdimensionale Rennautos und in Botox und grelle Designerkleider gehüllte Kreaturen sind im winzigen Fürstentum Monaco berüchtigt. Auch die Bauwut hält es in ihren Klauen. Inzwischen hat es das Grimaldi Forum erwischt, den Austragungsort der Kunstmesse Artmonte-Carlo, die coronabedingt zum zweiten Mal im Sommer und insgesamt zum sechsten Mal stattfindet, flankiert von der Monaco Art Week und Auktionshäusern wie Artcurial, Christie's und Sotheby's, die auf der Suche nach Synergien mit Sonderprogrammen locken. Da wo früher ein Blick aufs Meer den Verkaufstrubel vergessen ließ, ist die Sicht jetzt versperrt durch einen langgestreckten Neubau, der gnadenlos in die Höhe wächst. Immerhin, die Messe hat sich erstmal vom Diktat des Wachstums verabschiedet.

Nicht nur, dass sich der "Salon d'art contemporain" eine Ausstellung mit Videoarbeiten aus der Sammlung von Julia Stoschek gönnt und damit vergeblich eine Lücke zu schließen versucht. Obwohl das Genre an den Ständen durch Abwesenheit glänzt, verirrte sich am Preview-Tag das auf bella figura bedachte Publikum - darunter Prinz Albert und Prinzessin Caroline mit Bodyguard-Anhang, auffallend viele Italiener, Deutsche und kriegsvergessene Russen - kaum in das Nebengebäude. Man blieb lieber in dem überschaubaren Ganggewirr aus rund dreißig Kunstgalerien und einigen ausgewählten Schmuckhändlern. Vor der Pandemie nahmen 2019 noch rund 40 Galerien teil. Ein Rückgang, der aber durch die inzwischen rigide Auswahlpolitik wettgemacht wird, darunter Kamel Mennour aus Paris und London, der Camille Henrot in allen Facetten ein Denkmal setzt und eine hybride Skulptur für 90.000 Euro anbietet.                  

Natürlich an der Spitze Hauser & Wirth, die seit letztem Jahr mit einer gigantomanischen Dependance mitten in Monaco präsent sind, und White Cube als Platzhirsche, an denen niemand vorbei kommt, stehen sie doch gleich am Eingang bereit zum Duell. Die Londoner haben einen 1,25 Millionen US-Dollar teuren Warhol im Gepäck, eine Skulptur von Isamu Noguchi, gerade im Kölner Ludwig Museum zu sehen, für 125 000 US-Dollar oder einen Wandteppich von Etal Adnan für 100 000 Euro. Die Schweizer kontern gegenüber mit blitzschnellen Verkäufen gleich in den ersten zwei Verkaufstagen. Bei dem atelierfrischen George Condo "Spring Festival" hat ein asiatisches Museum trotz der Summe von 900 000 US-Dollar zugeschlagen, ein drei Jahre alter Druck von Cindy Sherman wechselte für 300 000 US-Dollar den Besitzer, eine hybride Lampenskulptur im Badeanzug von Pipilotti Rist für "nur" 60 000 US-Dollar.

Die Summe kratzt knapp die Preisgrenze, die sich die Pariserin Nathalie Obadia vorgenommen hat. Die Artmonte-Carlo werde ihrer Minderheitenmeinung nach vor allem von Sammlern und Sammlerinnen besucht, die keine Lust auf die großen Messen hätten. Sie seien auf der Suche nach Werken, die für "kleinere Budgets" zu haben sind, weshalb bei ihr diesmal nur wenige Arbeiten mehr als 100 000 Euro kosten. Etwa die frühen Fotografien einer Agnes Varda, eine veritable Entdeckung, denn für die 2019 verstorbene Grande Dame der Nouvelle Vague waren die frühen Schwarzweiß-Aufnahmen aus den 1950ern offenbar in den Hintergrund gerückt. Ihre Tochter Rosalie entdeckte sie erst nach ihrem Tod, wunderbar intime Porträts von Freunden wie Alexander Calder oder Germaine Richier, inklusive ihres persönlichen Blicks auf deren Werke. Kostenpunkt: jeweils um die 8000 Euro.                

Damit ist das fotografische Spektrum lange noch nicht ausgeschöpft. Die Galerie Andrea Caratsch aus St. Moritz legt den Schwerpunkt auf Helmut Newton, der zeitgleich in einer Ausstellung in der mondänen Villa Sauber gleich gegenüber der Messe zu sehen ist. Der großformatige Abzug "The pearl necklace" von 2002 ist mit 480.000 Euro beziffert. Eine wenige aufdringliche Erotik lässt sich beim Solo-Auftritt von Meret Oppenheim bei der Pariser Galerie Eva Meyer besichtigen, die neben Man Rays berühmten Porträt "Érotique voilée" von 1933 den ganzen Stand einigen früheren ikonischen und auch späteren Arbeiten der Surrealistin gewidmet hat, der Bronze "Ohr von Giacometti" von 1977 etwa oder der Skulptur des vom Rest des Körpers getrennten rosigen Hinterteils eines Revuetänzers.

Gleich im rosigen nackten Doppel grinsen zwei Asiaten von Yue Minjun bei dem Neuzugang Tang Contemporary Art aus Seoul um die Wette. Sein Werk "Execution" zog einst den höchsten Preis aller zeitgenössischen chinesischen Werke aller Zeiten nach sich, als es für 5,9 Millionen US-Dollar bei Sotheby's in London verkauft wurde. Versteckt in der hintersten Ecke der Messe stieß "Stranded" an der Côte d’Azur allerdings auf wenig Interesse. Der Star-Bonus scheint verflogen. Oder liegt es an den Bedrohungsgesten, die China neuerdings Richtung Westen sendet?

Auch die asiatische Sammlerschaft zeigt sich diesmal noch rarer als ohnehin. Umso williger folgen italienische Galerien dem Lockruf von Thomas Hug, Direktor der Messen in Monaco und Genf, darunter Neuzugänge wie Tornabuoni Art, Thomas Brambilla oder Vistamare. Für Hug im Zusammenspiel mit den vielen französischen Galerien ein Zeichen dafür, dass "die Messe die Region zusammenschweißt".

Der Debütant Maggiore g.a.m. aus Bologna bessert sogar das rare Segment der klassischen Moderne erheblich mit hochkarätigen Werken von Paul Delvaux, Giorgio Morandi und Giorgio di Chirico auf, dessen Gemälde "Ettore et Andromaca" für 850.000 Euro zu haben ist. Die in Florenz 1999 gegründete und in London und Monaco ansässige Moretti Fine Art, sonst Teilnehmer der Tefaf in Maastricht, beweist den Mut zum Fremdkörper und versucht es nicht zum ersten Mal mit alten Meistern, wie etwa dem Manieristen Pier Francesco Foschi. Dessen "Madonna mit Kind" rief während der Vernissage in einer abgedunkelten Durchgangskoje ignorante Gegenwartskunstliebhaber auf den Plan, die im Gesicht der Verkäufer ein amüsiertes Kopfschütteln verursachten.

Fragt sich nur, wer am Ende wen kannibalisiert. Einen Versuch ist es wohl wert, denn der Appetit der Riesenyachten-Besitzer ist wohl so unberechenbar wie deren Status in Zeiten von Sanktionen und fallenden Aktienkursen.