Ausstellung auf dem Eis

Alles schmilzt

Die Klimawandel-Ausstellung "Goodbye, World " bringt Kunstwerke auf die gefrorene Ostsee im schwedischen Teil Lapplands. Wenn das Eis schmilzt, werden sie im Meer versinken

Der deutsche Künstler Olaf Nicolai hat feinsäuberlich Geschirr und Besteck auf dem Boden arrangiert. Es sieht, aus, als könnte hier jederzeit ein opulentes Picknick für eine Person stattfinden oder ein ausgeklügeltes Ritual beginnen. Doch wer sich bei Nicolais "Picknick, égoiste" niederlassen möchte, darf nicht allzu kälteempfindlich sein. Denn das Werk befindet sich auf einer verschneiten Eisfläche im arktischen Teil der Ostsee im Norden Schwedens und entfaltet in der einsamen Winterwüste eine Absurdität, die auch über die Masse an Dingen nachdenken lässt, die ein Mensch täglich benutzt.

Die Arbeit ist Teil der Ausstellung "Goodbye, World", für die die Berliner Kuratoren Raimar Stange und Andreas Templin in Kooperation mit der New Yorker Kunstorganisation Apexart Werke auf eine Eisscholle im Bottnischen Meerbusen gebracht haben. Martha Rosler hat Mike Pence und seine "Space Force"-Idee als Motiv auf einen Kuchen gedruckt, der von Tieren gegessen werden kann, Peter Niemann hat einen nachgeschneiderten Anzug von Joseph Beuys an einen Stock gehängt und Nadira Husain lässt eine hellblaue Tonschildkröte durch den Schnee irren.

Die Kunstwerke werden dort stehen, bis das Eis im Frühling zu schmelzen beginnt und die Arbeiten nach und nach versinken werden. Diese ziemlich corona-konforme Ausstellung, die online dokumentiert wird, ist jedoch nicht nur ein Plädoyer fürs Ausstellungsmachen in Pandemie-Zeiten, sondern auch ein Kommentar zu einer anderen Krise: dem Klimawandel, der in den vergangenen Jahren zu Rekordtemparaturen in der Arktis geführt hat und das ehemals ewige Eis zum Schmelzen bringt. Versinkende Skulpturen sind sicher nicht die subtilste Metapher für diese schleichende Katastrophe, doch Stange und Templin geht es auch um einen anderes Aspekt. Sie wollen die Rolle des Kunstmarkts in der globalen Materialschlacht beleuchten, der auf der ständigen Zirkulation von Gütern basiert und auf die Sichtbarkeit von Werken angewiesen ist. Unwiderbringliches Verschwinden ist in diesem System unverzeihlich. 

Insofern ist es eine möglichst dezente Geste, mit der Werke, die sich auch um menschliche Hybris drehen, fern der Zivilisation auf den Meeresboden hinabgelassen und so dem Markt entzogen werden. Die Organisatoren betonen, dass alle Arbeiten aus abbaubaren Materialen bestehen. Noch mehr Plastikmüll im Meer braucht es nun wirklich nicht.