Als die Bilder in ihrem Atelier im Kreis 6 in Zürich für die Werkschau verpackt wurden, war Gritli Faulhaber im Bett. Acht Wochen lang lag sie dort. Sie lag dort, als ihre Bilder in den Räumen des Neuen Essener Kunstvereins gehängt wurden. Sie lag dort, als die anderen feierten, am Abend der Vernissage. Nachts wusste sie nicht, ob sie am nächsten Morgen wieder aufwachen würde. "Es war noch nie so bedrohlich", schreibt sie über die Zeit.
Mittlerweile kann Faulhaber wieder aufstehen, manchmal ihre Wohnung verlassen, sogar zu ihrer Ausstellung nach Essen konnte sie reisen. Ihre Serie "Militant Joy" versammelt dort kleinformatige, horizontal orientierte Leinwände. Auf hellem Grund leuchten kräftig gesetzte Punkte, Farbflächen, fragmentierte Muster in Pink, Blau, Orange, Magenta. Die Farben sind mal zart, mal intensiv, dann wieder verwaschen. Die Bildträger bleiben meist ungrundiert, sparsam bearbeitet, teilweise mehrfach übermalt, "recycelt", wie Faulhaber es nennt. Die Anordnung der Punkte wirkt zugleich intuitiv und präzise.
Der Grund für Faulhabers prekären Zustand: Die Künstlerin, geboren 1990, lebt seit acht Jahren mit ME/CFS, einer schweren neuroimmunologischen Erkrankung, bei der die Energiegewinnung auf zellulärer Ebene gestört ist. Charakteristisch für den Zustand ist eine Belastungsintoleranz, die zu sogenannten crashs führen kann, einer Verschlimmerung aller Symptome, die zu absoluter Ruhe zwingt, manchmal viele Wochen lang. "Long Sommergrippe" nennt Faulhaber die Krankheit, denn ME/CFS tritt oft nach Virusinfektionen auf. Zusätzlich hat sie seit einer Infektion Anfang des Jahres Probleme mit dem Herzen.
Punkte für mehr Sichtbarkeit
Auch wenn die Serie auf den ersten Blick wie eine Aneinanderreihung verspielter Farbmeditationen wirkt, die Punkte konfettihaft auf die Leinwand geworfen, so sind Faulhabers Gemälde doch auf vielfältige Weise mit ihrer Erkrankung verbunden, sogar aus ihr entstanden.
Ihr Werk wirft Fragen auf, die sich Generationen chronisch kranker und behinderter Künstlerinnen gestellt haben: Wer darf sichtbar sein? Wer gilt als arbeitsfähig, kreativ, gesellschaftlich relevant? Und wer verschwindet in der Horizontale des Sofas, der Dunkelheit des Schlafzimmers? Wie lässt sich Produktivität jenseits kapitalistischer Maßstäbe denken? Ist Liegen Arbeit? Ruhen, Dasein? Wie kann ich mir Langsamkeit erlauben? Wie schöpfe ich nicht nur trotz Schwäche und Schmerzen – sondern mit ihnen, durch sie, aus ihnen heraus?
"Militant Joy" in Essen ist nach Einzelausstellungen in New York, Berlin, Genf und Paris nun Gritli Faulhabers erste institutionelle Soloschau in Deutschland. Dabei ist die Reihe im Werk der Künstlerin eher die Ausnahme: Sonst geht es in ihrem Schaffen um die Aneignung von historischen Referenzen, um bildanalytische Fragen. Viele ihrer Malereien kommentieren großformatig Leben und Werk bekannter Künstlerinnen.
Ein feministisches Manifest aus dem Krankenbett
Faulhabers Arbeit steht in einer kunsthistorischen Linie, in der der Körper – insbesondere der kranke, weibliche – nicht als bloßes Motiv, sondern als Ausgangspunkt eines spezifischen Narrativs fungiert. Frida Kahlo, deren Malerei im Gipsbett entstand und zur kompromisslosen Selbstbefragung wurde, mag die berühmteste unter ihnen sein.
Die Schriftstellerinnen Virginia Woolf, Emily Dickinson und Alice James litten (aktueller Forschung zufolge) wohl an ME/CFS – wobei damals weder ein Name für die Krankheit existierte noch Diagnosen ausgestellt wurden. Bescheinigt wurde ihnen Hysterie. Carolyn Lazard, schwer an Morbus Crohn erkrankt, arbeitet an installativen, medienreflexiven Werken über Barrierefreiheit, Pflege und Kontrolle.
Johanna Hedva formulierte mit "The Sick Woman Theory" ein feministisches Manifest aus dem Krankenbett heraus. Die Tanzkünstlerin Alice Sheppard und die Klangkünstlerin Christine Sun Kim fordern etablierte Vorstellungen von Körpern, Ausdruck und Wahrnehmung heraus. Jenni-Juulia Wallinheimo-Heimonen aus Finnland kombiniert Rollstühle, Prothesen, Krücken mit traditioneller Handarbeit, Stickerei und Modeelementen. Ihre Objekte, oft glamourös überhöhte Artefakte, stellen Fragen nach Körpernormen, Fürsorge und Sichtbarkeit.
Eine jahrzehntelange Psychologisierung
Genau diese Sichtbarkeit – oder ihr systematisches Fehlen – ist auch bei ME/CFS zentral. Die Krankheit ist weitgehend unsichtbar, und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen sieht man sie den Betroffenen oft nicht an, obwohl sie Schäden in allen Systemen des Körpers anrichten und zu schweren Behinderungen führen kann. Zum anderen ist die Diagnose, wenn es sie denn gibt, durch eine jahrzehntelange Psychologisierung gesellschaftlich und medizinisch marginalisiert.
Faulhabers Antwort darauf ist eine Gegenbewegung: eine Praxis des Sichtbarmachens. "Die Punktebilder male ich ausschließlich in Zeiten, wenn ich krankheitsbedingt nicht mehr komplex denken kann", schreibt sie. "Sie sind wie ein kurzes Überprüfen der Sinne, dass mein Körper in der Lage ist, immer noch über die Bewegung meiner Hand ein Abbild zu hinterlassen – und nicht völlig verschwindet."
In einer Gesellschaft, in der Sichtbarkeit oft mit Produktivität verwechselt wird, ist das öffentliche Zeigen einer chronischen Erkrankung ein Akt des Widerstands. Die Künstlerin formuliert es so: "Die Krankheit betrifft zu 85 Prozent Frauen, Transpersonen haben ebenfalls ein höheres Risiko, ME/CFS etwa durch Covid zu entwickeln. Niemand kümmert sich, niemand fragt nach."
Eine Verweigerung der herkömmlichen Zeit
Die feministische Dimension von Faulhabers Praxis zeigt sich auch in ihrer bewussten Abkehr vom Produktionsdruck der Kunstwelt. "Ich war immer schnell, neugierig, überall unterwegs. Jetzt merke ich: Wenn ich weiterhin malen will, muss ich mich aus der Geschwindigkeit der Kunstwelt vollkommen zurückziehen." Ihre Punktebilder entstehen in Etappen – nicht über Monate wie die großformatigen Arbeiten, sondern manchmal an einem einzigen Tag. Man könnte sagen, "Militant Joy" verweigert sich der herkömmlichen Zeit und ist durchzogen von einer anderen Zeitlichkeit: der crip time.
Dieser Begriff, nach dem 2021 auch eine tiefgründige Gruppenschau über das Kunstschaffen mit körperlichen und geistigen Einschränkungen im MMK Frankfurt am Main benannt war, ist ein Konzept aus der "Disability Justice"-Bewegung. Die queerfeministische Denkerin Alison Kafer entwickelte ihn, um das nicht-normative Zeiterleben chronisch kranker und behinderter Menschen zu beschreiben.
Zeitlichkeit funktioniert für diese Menschen anders, etwa weil sie mit Barrieren konfrontiert sind und für bestimmte Dinge im Leben länger brauchen als Nichtbehinderte: Laufen lernen, ein Studium abschließen, Bilder malen. Crip time ist eine Zeit außerhalb der kapitalistischen Taktung, der Planbarkeit, der Effizienz. "Seit meiner Diagnose muss ich meine Zeit neu denken, denn ich brauche schlichtweg mehr davon", schreibt Faulhaber.
"Aha, Rot sieht also so aus, und Blau so"
Die Werkgruppe "Militant Joy" entsteht seit 2019, als sie "weit weg von irgendeiner Art von Diagnose" in einer Reha war, weil sie sich über zwei Jahre nicht von einer Grippe erholt hatte. Dort malte sie erste Farbpunkte mit Aquarell, "erst einige wenige, wie jemand, der Farben ausprobiert, sich kurz versichert: Aha, Rot sieht so aus und Blau so".
Die Serie wächst seitdem in Episoden, entwickelt sich über sechs Jahre, wird weitergetragen von einem Körper, mit dem sie nicht planen kann. Die 23 Bilder ähneln einander und unterscheiden sich doch. Die Serie erinnert in ihrer Struktur an musikalische Formen wie Kanon oder Fuge, Wiederholung und Variation.
Damit spiegelt sie eine Eigenart des Lebens mit ME/CFS: In Crashphasen ähneln die Tage einander in ihrer monotonen Zurückgezogenheit. Zugleich ist das Krankheitsbild von Unsicherheit geprägt. Man weiß nie, wie es einem in den kommenden Tagen, Wochen, Monaten und Jahren gehen wird. Die Krankheit fordert gleichzeitig Planung ein und verhindert sie. Faulhabers Bilder spiegeln dieses Paradox, werden zu Wegmarken ihrer Krankheitsgeschichte.
Was da ist, trotz allem
"Militant Joy" könnte in diesem Sinne als eine Art Paratext gelesen werden, der ihr restliches Werk, das der besseren Tage, umgibt – und damit auf ihren porösen Gesundheitszustand verweist. So wie es jederzeit einen neuen crash geben kann, kann es jederzeit neue Punktbilder geben. Nur, wann das geschieht, ist nicht abzusehen. "Die einzige Regel bei dieser Serie ist, dass es nur kleine Arbeiten sind und dass ich mich selbst nicht bewerte", schreibt Faulhaber.
Ihr Werk ist nicht nur eine künstlerische Praxis unter Einschränkungen, sondern aktive Kritik am Normalitätsbegriff von Produktion, Sichtbarkeit, Erfolg. Ihre real gestellte Frage "Wie lange werde ich überhaupt malen können?" wird zur Triebfeder.
Krankheit ist "nicht nur der Verlust einer physiologischen Ordnung, sondern ebenso sehr die Entstehung einer neuen Lebensordnung", schreibt der Philosoph George Canguilhem. Faulhabers Punktebilder sind Ausdruck ebendieser. Ihr widersprüchlicher Ausstellungstitel ist nicht ironisch, sondern ernst gemeint: Freude als Akt des Widerstands. Freude daran, was der Körper noch kann, dass er wieder etwas kann. Freude darüber, was da ist, trotz allem. Da ist Farbe, da ist eine Leinwand, da ist eine Hand, die malt.
Anmerkung: Auch die Autorin dieses Textes ist von ME/CFS betroffen. Der Austausch mit der Künstlerin Gritli Faulhaber fand per E-Mail statt, weil ein Treffen, eine Video-Konferenz oder ein Telefonat für die Autorin zurzeit zu anstrengend sind.