Wie Architekten wohnen

Häuser als Porträts

Architektur und Wohnen sind nicht nur eigenständige Kategorien, mitunter stehen sie sich sogar im Weg. So entwarf Peter Eisenman 1972 ein Wohnhaus, an dessen skulpturale Beschaffenheit sich die Auftraggeber nur mühsam gewöhnten. Immerhin konnte das New Yorker Ehepaar Frank den Architekten dazu überreden, dem nachträglichen Einbau einer Toilettentür zuzustimmen. Natürlich würde es einen brennend interessieren, wie Eisenman selbst lebt. Unterwirft er sich seinen eigenen Ideen, oder wohnt er ganz bequem in einem Altbau? Leider kommt er in dem Band „Wie Architekten wohnen“ nicht vor, der ansonsten auf erhellende, teils überraschende Weise die privaten Domizile seiner Kollegen zeigt. 100 Behausungen berühmter und außerhalb von Fachkreisen weniger bekannter Architekten von Alvar Aalto bis John Young hat Herausgeber Gennaro Postiglione darin versammelt.

Die Außen- und vor allem Innenansichten der Gebäude lassen ungewöhnliche Porträts ihrer Schöpfer entstehen, auch wenn die Authentizität ungeleerter Aschenbecher hier kaum zu finden ist. Immerhin wurde das kreative Chaos im Atelier von Le Corbusier vor der Aufnahme nicht geschönt. Gio Pontis verspielt eingerichtete 160-Quadratmeter-Wohnung in Mailand zeigt ebenfalls deutliche Spuren gelebten Lebens. Herausragende Beispiele einer kompromisslosen (Innen-) Gestaltung auch im persönlichen Bereich sind ein von der Außenwelt abgeschotteter, durch Oberlichter erhellter Atelieranbau des Schweden Sigurd Lewerentz, die von stumpfen und spitzen Winkeln strotzende Kärntner Privatvilla von Günther Domenig und Werner Sobeks voll transparentes, weitgehend wandloses Glashaus in Stuttgart, das die periphere Lage am Hang vor Blicken schützt. Maßstabsetzend ist das Null-Heizkosten-Konzept des im Jahr 2000 fertiggestellten Quaders.

Die historischen, teilweise in Museen verwandelten Beispiele sprechen wieder eine ganz andere Sprache (und ihre Vielfalt macht den Reiz des Buches aus). Der Jugendstil-Architekt Victor Horta bezog sein verschnörkeltes Wohn- und Atelierhaus 1898, Charles Rennie Mackintosh baute ab 1906 ein Reihenhaus in Glasgow um und dekorierte es in der für ihn typischen ornamentalen Strenge. Möchte man so wohnen? Nur bedingt, aber gerade die Berücksichtigung individueller Wünsche entspricht Postigliones Credo, „eine Architekturauffassung zu unterstützen, die zugleich von den Bewohnern und von den Ideen der Entwerfer spricht“. Da beide Gruppen hier zusammenfallen, kann das Buch hundertfach von geglückten Selbstversuchen erzählen. 

Gennaro Postiglione: „Wie Architekten wohnen“. Taschen, 480 Seiten, 29,99 Euro