Tarantinos 50. Geburtstag

Happy Birthday, St. Quentin!

1995: Ich weiß nicht, wie wir auf die Idee gekommen sind. Auf jeden Fall haben mein bester Freund Helge und ich „Pulp Fiction“ gesehen und beschlossen, uns in Rumänien Anzüge schneidern zu lassen. Von Wuppertal bis Budapest sind wir getrampt. Von dort sind wir mit dem Orient-Express weitergefahren. An der Grenze zu Rumänien hat der Zöllner entdeckt, dass Helges Reisepass abgelaufen war. Für 30 Euro und eine Packung Zigaretten hat er trotzdem ein Visum bekommen. Ich erinnere mich, dass der Visumverkäufer in Zivil war. Er trug einen Anzug und einen Aktenkoffer, in dem seine Unterlagen waren.

In Sibiu (Transsilvanien) haben wir dann einen Schneider gefunden. Als Vorlage hat er uns einen alten Otto-Katalog gezeigt, seine Favoriten waren eindeutig breitschultrige Zweireiher, deren Sakkos bis knapp über die Knie gingen. Ich habe dann eine Skizze eines Einreihers mit drei Knöpfen und schlankem Revers gemacht, und wir wurden vermessen.

Komischerweise hatten Helge und ich exakt die gleichen Maße, aber wir waren ja auch schon seit dem Kinder­garten Freunde! Es gab drei Stoffe in drei Farben zur Auswahl. Helge entschied sich für Mausgrau und ich mich für Dunkelblau.

Wolfsspuren im Schnee

Wir mussten eine Woche die Zeit totschlagen und haben unter anderem „Interview mit einem Vampir“ im Kino gesehen. Auf Rumänisch: „Interviu cu un vampir“. Es war kurz nach Ostern, und der Frühling war gerade angekommen. Deshalb haben wir uns entschieden, in den Karpaten wandern zu gehen. Wir wollten auf eine Berghütte, die angeblich schon geöffnet war. Irgendwann fing es heftig an zu schneien. Wir haben uns verlaufen und uns getrennt, um die Hütte zu finden. Ich habe frische Wolfsspuren im Schnee gesehen, doch Helge hat die Hütte zum Glück gefunden. Leider stand sie leer.

Da es schon dunkel wurde, blieb uns nichts anderes übrig, als einzubrechen. Mit Helges Messer haben wir eine Glasscheibe aus der Verankerung gelöst und ein Fenster geöffnet. Wir waren in einem kleinen Schlafzimmer, doch die Tür zum Rest der Hütte war abgeschlossen. Immerhin hatten wir einen Ofen und zwei Betten. Um das Feuer anzubekommen, haben wir unseren halben Reiseführer verheizt. Am nächsten Morgen habe ich ihn aufgeschlagen. Auf der ersten der übrig gebliebenen Seiten stand groß: „Transsilvanien!“.

Wir sind zurück ins Tal gelaufen, und schließlich waren unsere Anzüge fertig. Ich erinnere mich, dass wir sie ein- oder zweimal zusammen getragen haben. Dann bin ich nach Berlin gezogen, und der Anzug ist in Wuppertal geblieben und verschwunden.


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