Helmut Lang in Wien

Blick zurück ohne Wehmut

Im Wiener MAK setzt sich Helmut Lang zum ersten Mal seit 15 Jahren direkt mit seiner Vergangenheit als Modedesigner auseinander. Es könnte der Auftakt werden für die von Fans ersehnte Aufarbeitung einer Ära

Mit welcher Ehrfurcht sprechen Künstler, Designer, Architekten und andere Kreative seinen Namen aus! Helmut Lang prägte nicht nur mit seinen reduzierten Entwürfen die Modewelt, sondern hinterließ Eindruck weit darüber hinaus. Es war eine Überraschung, als der gefeierte Modeschöpfer 2005 das 1986 von ihm gegründete Label seines Namens verließ, das seit 1999 Prada gehörte. Aber es war keine Überraschung, als der 1956 geborene Österreicher ankündigte, sich fortan der Kunst zu widmen.

Denn: Künstler war er schon immer. Nur weil er keine passende Kleidung in den Geschäften fand, so geht die Legende, sei er überhaupt Modeschöpfer geworden. Lang erwarb also nach dem Ende seiner Designerkarriere ein Haus in den East Hamptons bei New York und begann ein neues Leben: mit Hühnern und Hunden, Dünen und dem Rauschen des Atlantiks. Mit seiner großen Liebe, als Künstler, in Freiheit.

In der Coolness, dem Minimalismus, dem subtilen Spiel mit Silhouetten und dem Sex in seiner Kunst mag man durchaus Anklänge an seine Mode erkennen. Aber alle Glätte des Betriebs scheint er gegen rauere Urgewalten, gegen das Chaos der Natur und einen dunklen Mystizismus eingetauscht zu haben. Während die Modewelt ihm noch immer hinterhertrauert, schien Helmut Lang nicht zurückzublicken, jedenfalls nicht in Trauer. 

Das sieht man nun auch in einer Intervention des Künstlers im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK), wo er überarbeitetes Archivmaterial präsentiert, in Vitrinen, Videos seiner Kollektionen, übermalten und collagierten Anzeigen seiner Marke. Während ein regelrechter Kult entstanden ist um die Jahre, in denen Helmut Lang Designer bei Helmut Lang war und Enthusiasten Archive mit größter Sorgfalt aufbauen, scheint Lang selber seine Vergangenheit als künstlerisches Material zu begreifen. 

Das bekannte Foto der Künstlerin Louise Bourgeois in archaischem Pelz – ein Anzeigenmotiv von 2001 – ist mit der Silhouette einer jungen Frau überlagert, Robert Mapplethorpes US-Flagge von einem Schatten. Auf anderen Wandarbeiten ist das Markenlogo zerschnitten und invertiert. 

"Lebendiges Archiv"

Lang greift in dieser Form zum ersten Mal ein in das Archiv, das das MAK zu seiner Arbeit aufgebaut hat (es umfasst 9000 Datensätze, darunter 1400 Kleidungsstücke). Der Künstler nennt diesen Umgang eine "Idee des lebendigen Archivs", dabei "geht es nicht nur um die Bewahrung der Fakten und Daten, sondern auch um den Geist, der meiner Arbeit seine Gravität verleiht".

Diese kleine Wiener Intervention markiert offenbar einen bedeutenden Umschlagpunkt in der Arbeit Helmut Langs. Da er in den letzten 15 Jahre darum kämpfte, als Künstler wahrgenommen zu werden, war er kaum interessiert an der Auseinandersetzung mit seiner Modevergangenheit: Es gab keine autorisierten Bücher, keine Ausstellungen dazu. Das soll sich jetzt ändern: Er sei durch die Arbeit im MAK nun endlich bereit, "die Idee anzunehmen, an ein paar Büchern und anderen Materialien zu arbeiten, die mein Gesamtwerk im Bereich Mode umfassen", sagte er jüngst der "Vogue"

Der Künstler Helmut Lang bleibt uns dabei natürlich erhalten. In dieser Woche eröffnet er eine Skulpturenausstellung im MoCA Westport im US-Bundesstaat Connecticut.