Fotografie von Herbert List

Sehnsucht nach Italien

In Italien nahm Herbert List einst erste wichtige Bilder auf, in Paris bekam der deutsche Fotograf damit 1937 eine Einzelausstellung. Die Galerie Karsten Greve widmet ihm dort jetzt eine Schau mit dem Titel "Italia"

Herbert List beherrschte die intuitive Schnelligkeit des Straßenfotografen und zugleich die feinsinnige Komposition des Studiofotografen, der Licht und Schatten symbolisch inszeniert. Der stilisierende Geist des Surrealismus ist in seinen Werken erkennbar, genau wie der fotografische Ansatz von Henri Cartier-Bresson, in seinen Pariser Straßenszenen den "entscheidenden Moment" zu erwischen.

List (1903-1975) war Sohn einer Hamburger Kaufmannsfamilie und studierte in Heidelberg in den 1920er-Jahren Literatur- und Kunstgeschichte. 1930 lernte er den Bauhaus-Professor Andreas Feininger kennen, der ihm zeigt, wie man mit der gerade brandneu erschienenen Rolleiflex-Kamera umgeht. Von den Nationalsozialisten drangsaliert, verlässt er 1936 Deutschland, lebt eine Weile in Paris und London, wo er ohne große Leidenschaft als Modefotograf arbeitet.

Seine Aufnahmen erscheinen in "Harper’s Bazaar", "Vogue" und "Life". Seine eigentliche Passion ist die Komposition von Stillleben. Die Fotografiegeschichte nennt seinen Stil später "fotografia metafisica“.

Das Symbolische bildnerisch in Verbindung zum Menschen zu bringen, gelingt ihm an den Stätten der Antike: In Griechenland und Italien nimmt er erste wichtigte Bilder auf, in Paris bekommt er damit 1937 eine Einzelausstellung. Die Galerie Karsten Greve widmet ihm dort jetzt eine kleine, feine Schau mit dem Titel "Italia“, Bilder, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind.

Es bleibt immer etwas Fremdes

1951 lernt er den Magnum-Fotografen Robert Capa kennen, der ihn zu der großen Fotoagentur holt. List wendet sich dem Menschen zu, Straßenfotografie und Porträts, ab 1953 auch mit der Kleinbildkamera. Italien bleibt sein großes Sehnsuchtsland. Für Magazine wie "Época" oder "Du" fotografiert er Geschichten zum Thunfischfang in Sizilien oder dem Bau der Stazione Termini in Rom. Ein fast filmischer Realismus in den Porträts von Neapels Wäscherinnen oder Priestern wechselt sich ab mit ästhetisierendem Pathos beim Beobachten der Fischer oder junger Männer am Meer.

Besonders sind Herbert Lists Künstlerporträts, die in der Ausstellung "Italia" am Pariser Standort der Galerie Karsten Greve jetzt zusätzlich zu vielen seiner fantastisch komponierten Italien-Fotografien zu sehen sind. Giorgio di Chirico, der misstrauisch und in einem zu großen weichen Mantel auf einem Rattansessel sitzt wie auf einem Thron, Pinsel und Palette wie Waffen in der Hand. Pier Paolo Pasolini, der 1953 in Trastevere unter einem Fenster, aus dem die Wäsche hängt, perfekt gescheitelt und stolz in die sich etwas unterhalb seines Gesichts befindende Kamera blickt.

Es bleibt immer etwas Fremdes, vielleicht blieb List selbst auch immer Migrant, selbst als er nach Deutschland zurückkehrt, wo er bis zu seinem Lebensende 1975 in München lebt. Die Nähe ist nie Herbert Lists Thema, eher der Wille zur Schönheit ist es, der Verbindung schaffen kann.