Galeristin Christine König im Interview

"Heute ist dieser Beruf viel einfacher"

Christine König, was waren die bisher größten Herausforderungen für Sie?

Selbst eine Firma zu gründen, also vorerst auch kaufmännische Überlegungen anzustellen.
 
Und was waren wichtige Impulse?

Thema meiner Diplomarbeit an der Universität Wien waren die Mitglieder der Wiener Gruppe, die Dissertation schrieb ich über Gerhard Rühm. Schon während des Studiums arbeitete ich für Hermann Nitsch. Als ich selbst eine Galerie eröffnete, waren  Elisabeth Kübler, Leiterin der Galerie Lelong in Zürich oder auch die Galerie Heike Curtze in Wien ganz konkrete Vorbilder für mich. Von ihnen habe ich gelernt, wie wichtig Seriosität im Umgang mit den Künstlern ist.

Gehen Sie planvoll vor, oder eher intuitiv?

Intuition ist eher nicht meine Sache. Weder kaufmännisch noch in der Zusammenarbeit mit den Künstlern. Ich will immer genau wissen, wer was warum wie macht. In der Entwicklung des Programms setzte ich anfangs auf Künstler, die ich schätzte und kannte, leider aber eine Generation oder zwei älter waren als ich: Rebecca Horn, Jannis Kounellis, Gerhard Rühm, Al Hansen, Arnulf Rainer, Adriena Simotova. Es stellte sich im Laufe der Jahre immer mehr heraus, dass mich vor allem Künstler  interessierten, die in ihrer Arbeit einen sehr genauen und kritischen Blick auf die Welt warfen: David Hammons, Jimmie Durham, Nancy Spero, Leon Golub. Und zunehmend entdeckte ich auch Künstler meiner Generation und jüngere wie Pierre Bismuth oder Adel Abdessemed.

Wissen Sie noch, wie und wann ungefähr Sie das Internet für Ihre Zwecke entdeckt haben? Spielt es eine wichtige Rolle für Ihren Beruf?

1989 waren meine Apple-Computer, das Kopiergerät und das Fax die hervorragenden Werkzeuge. Das Internet nutzten meine jungen Mitarbeiter sehr bald, auch für mich ist es als Werkzeug selbstverständlich. Ich lese aber niemals im Internet, Interessantes lasse ich mir ausdrucken und nehme es mit ins Weekend. Auch die Tageszeitungen lese ich morgens im Café - meist stehend - wo ich auch Leute treffe, mich unterhalte und den Tag beginne. Mein Tag beginnt nicht im Internet!

Auf Ihrer Künstlerliste ist Ai Weiwei, wie haben Sie zueinander gefunden?

Ich traf ihn vor vielen Jahren auf einer Kunstmesse, ich glaube in Madrid, als er bei Urs Meile am Stand vis a vis eine Skulptur aus alten Tempelteilen baute. Ich hatte einige sehr interessante Gespräche mit ihm im Café, denn niemand außer mir kannte ihn, wie mir schien. Dass ich ein Buch seines Vaters gelesen hatte, das in den 80er-Jahren in einem amerikanischen Universitätsverlag erschienen war, überraschte ihn. Und er erinnerte mich in seiner klugen, feinen, aber dennoch humorvollen Art auch sehr an Hermann Nitsch.
 
Warum trennen sich Künstler und Galeristen wieder?

Ich habe mich von einigen getrennt, weil ich keine für mich interessante Entwicklung mehr sah. Oder weil es für mich zu schwierig oder unmöglich war, für sie einen Markt aufzubauen. Oder weil sie mich bei Verkäufen und Aufträgen hintergingen. Sehr wenige Künstler nur trennten sich von mir, und wenn, dann, weil sie andere Strategien verfolgten, wie zum Beispiel David Hammons, der grundsätzlich nicht mehr mit Galerien arbeitet.
 
Wie hat sich der Beruf des Galeristen gewandelt?

Er hat sich nicht verändert. Es ist weiterhin so, dass wir Berater sowohl für Sammler als auch für Künstler sind. Ganz sicherlich ist es aber schwieriger geworden, den Kunstmarkt weltweit zu überblicken. Aber es gibt nicht nur viel mehr Künstler, es gibt auch viel mehr Galerien. Und es gibt viele sehr mächtige Galerien. Das ist neu. Daher müssen Entscheidungen sehr schnell getroffen werden. Den Werdegang eines Künstlers einige Jahre interessiert zu beobachten, ist nicht mehr möglich. Was aber sicherlich bleibt beziehungsweise noch verstärkt gefordert wird, ist die Beratung des Sammlers. Gerne erinnere ich mich an den Sammler Frieder Burda, der von drei wunderschönen Malereien vorerst die harmloseste auswählte. Nach meinem entsetzten Aufschrei verschreckte ich zwar seine höflichen Adjudanten, er selbst aber war cool und nahm alle drei.
 
Und das Künstlersein?

Da stimme ich ebenfalls nicht zu. Künstlersein heißt heute wie damals: forschen, lernen, über die Kunstgeschichte Bescheid wissen. Natürlich haben die vielen Kunsthochschulen  ein Heer von jungen  Künstlern hervorgebracht. Meine Aufgabe ist es aber weiterhin, wie vor 25 Jahren, zu schauen, woher kommen sie, wie denken sie, wo gliedern sie sich selbst in der Kunstgeschichte ein. Und ich sehe bei guten Künstlern, auch bei den jüngeren, dass sie hart arbeiten und sehr gebildet sind. Ich will von Künstlern etwas lernen und etwas sehen, das ich bisher nicht wusste, nicht kannte. Das ist die Aufgabe jeder Künstlergeneration: die Kunstgeschichte mit ihren Augen und aus ihrer Zeit neu zu sehen, Neues daraus zu entwickeln.
 
Wenn Kinder von Freunden oder Ihre eigenen diesen Beruf ergreifen wollten - würden Sie abraten?

Im Gegenteil, heute ist es doch viel einfacher! Zu meiner Anfangszeit wurde man nur wahrgenommen, wenn man sofort mit großen Namen in repräsentativen Räumen begann. Heute dagegen können junge Galeristen mit jungen Künstlern die jungen Sammler auch in Abbruchhäuser, Garagen, Souterrains locken. Das Anfangsbudget ist nicht mehr ausschlaggebend für den späteren Erfolg. Meine Tochter bewies das schon während ihres Kunstgeschichtestudiums, das fand ich wunderbar!

Galerie Christine König, aktuelle Ausstellung: "+ Moon - a project by Ai Weiwei and Olafur Eliasson", bis 28 Juni
Lesen Sie zum Thema auch online Interviews mit den Galeristen Jörg Johnen, Matthias Arndt und Jan Wentrup, sowie in der Juli-Ausgabe von Monopol ein Interview mit Nicole Hackert und Bruno Brunnet