Hochschulreport 2006

HfbK Dresden

Die Schönste: Klassische Malerakademie sucht nach neuen Herausforderungen

Kaum eine Kunsthochschule dürfte die Silhouette einer Stadt schöner bekrönen als die in Dresden. Malerisch liegt das Haus
mit der gefalteten Glaskuppel, die Fama aufgesteckt, an der Brühlschen Terrasse. Und während durch die Atelierfenster das weiche, schmeichelnde und nie ganz wahre Licht eines Sommerabends dringt, sezieren sie drinnen im venezianisch verbrökelten Oktogon die Imagination der Bilderwelten. Sie, das ist tout Dresden, das junge Dresden vor allem. Und es scheint, als habe Sachsens Boomtown auch beim Kunstenthusiasmus die Nase vorn. Junge Leute, und eben nicht nur die örtlichen Studenten, streifen durch die aufgesperrten Räume. Neugierig. Wach. Kritisch. Nie gleichgültig. Ein ideales Publikum. Auch wenn der Rektor Christian Sery seinen 38 Absolventen das Künstlerimage spitzwegig und aschegrau austuscht, weil das Diplom eben kein Freibrief sei, man sich nicht bewerben könne, weil man sich behaupten müsse, auch wenn im Katalog immer wieder davon die Rede ist, daß nur ein Bruchteil von der Kunst wird leben können, ist die Malerakademie durch Absolventen wie Frank Nitsche, Eberhard Havekost oder Thomas Scheibitz (alle studierten sie bei Ralf Kehrbach) bestens beleumundet.

Und nicht nur dadurch. Klein und fein geht es hier zu, die Zahl der Studierenden ist begrenzt, die Atelierplätze sind nicht umkämpft. Die meisten Diplomanden des aktuellen Jahrgangs empfehlen sich mit teilweise tiefschürfenden Positionen, die das Leben auseinandernehmen wie Humboldt weiland seine gesammelten Pflanzen. Und sie sind in Farbe und Form der Malerei mindestens so üppig wie die Exponate in dessen Botanisiertrommel. Die Arbeiten sind dann besonders stark, wenn sie auf das Menschenbild zielen und zeigen, wie es einem ans Leben gehen kann. Tilman Hornig (Klasse Honert) zum Beispiel, der in seinen fast naiven Schwarz-Weiß-Malereien uniforme Menschen in einer vom Schnee verschütteten, vergewaltigten Landschaft zeigt. Aufgebrochen wird die triste Idylle nur von drei selbstbestimmten Rockern, die mit den Instrumenten unterm Arm dem Tal der toten Seelen davonlaufen. Fast ein surreales Sinnbild auf eine Endzeitgesellschaft, Hornig ein geistiger Verwandter Albert Eberts. Auch Daniel Scholz (Jahrgang 1981, Klasse Bömmels) nimmt sich des gefangenen Menschen an. In seinen großformatigen, dunkel ausgeleuchteten Bilder tauchen sehr fein gezeichnete, scharf bewaffnete Soldaten auf, die aus Kinderbüchern vorlesen, seine Rebellen tragen engelhafte, entrückte Züge, die Gaukler sind auch nichts anderes als Geschäftemacher.

Und so ziehen wir weiter vorbei an einem verlassenen Puppentheater, an leeren, traurigen Menschen am Küchentisch oder in der Badewanne und an unglaublich vielen Tieren, um bei Barbara Graf (Jahrgang 1980, Klasse Bömmels) und ihren Klo-Bildern zu landen. Seit Elfriede Jelinek wissen wir, daß in diesem vermeintlich intimsten aller Kabinette die Wahrheit und die Abgründe dicht beieinanderliegen. Hier ist jeder für sich, aber immer auch öffentlich. Barbara Graf zeigt die Toilette als Teil der individuellen Möblierung. „Bau dir deine eigene Realität und werde glücklich“, nennt sie ihr Bild, das die demokratisierte Kachelwand als Vorläufer des Blog zeigt. Jeder verewigt sich hier, vom Nazihasser bis zum Grenzöffner, vom verliebten Hagestolz bis zur Feministin.

Überhaupt geht es in Dresden erkenntnisreich und dabei sinnlich zu. Die Malerei bleibt die Stärke der Schule, auch wenn man versucht, das Spektrum zu weiten, was sich zum Beispiel in der Medienklasse von Lutz Dammbeck zeigt.

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