Wohin im Januar?

Hoffnungsschimmer

Marcel van Eeden: „Schritte ins Reich der Kunst“
Klingt merkwürdig, dass Marcel van Eeden sein Gesamtschaffen als „Enzyklopädie meines Todes“ bezeichnet. In seiner ersten institutionellen Berliner Einzelausstellung wird allerdings bald klar, was der Niederländer meint. Van Eeden sammelt Bilder aus der Zeit vor seiner Geburt im Jahr 1965 und zeichnet sie ab wie ein klösterlicher Kopist. Wenn der Künstler die häufig düsteren, meistens schwarz-weißen Zeichnungen zu Serien reiht, entstehen absurde Bildergeschichten und ins Fiktive auswuchernde Lebensläufe. Das Haus am Waldsee präsentiert Zyklen wie „K.M. Wiegand“ oder „Oswald’s Dream“ und auch eine neue, vom Ausstellungsort ausgehende Serie. Parallel ist in Wien der Zyklus „Celia“ zu sehen.
Haus am Waldsee, Berlin; BAWAG Contemporary Wien, bis 30. Januar

Klara Lidén: „Rumpfflächen und Plündererbanden“
Sie ist wohl das, was man knallig einen Shootingstar nennt: Klara Lidén (Jahrgang 1979) bestritt gerade eine Soloschau in der Londoner Serpentine Gallery, die ab Mai im Moderna Museet ihrer Heimat Stockholm zu sehen sein wird. Lidén steht auf der Shortlist des Preises der Berliner Nationalgalerie und bekam den Kunstpreis Blauorange 2010. Die Preisträgerschau zeigt, wie souverän Lidén mit künstlerischen Disziplinen wie Performance, Installation und Video jongliert und ihr Material typischerweise der unmittelbaren Umgebung entnimmt. Die gestapelten Dinge ihrer Installation „Unheimlich Manöver“ entstammen ihrem Atelier: seltsam eigenschaftslos, fast abstrakt.
Bonner Kunstverein, bis 30. Januar

„Passages. Travels in Hyperspace“
Der elaborierte Vergnügungspark, der sich in einer Werkhalle am Rand der spanischen Hafenstadt Gijón ausbreitet, tut sein Bestes, die Betrachter aus dem Gleichgewicht zu bringen. Die kubanische Gruppe Los Carpinteros zeigt das skulpturale „Standbild“ einer Explosion. Ein in der Luft eingefrorener Brocken hängt über der Brüstung, unter der sich hoffnungsfroh die Glühbirnenspiralen Carsten Höllers drehen und sich in Doug Aitkens begehbarem Kaleidoskop spiegeln. Der Kulturkritiker Fredric Jameson beklagte, im postmodernen Hyperspace verlören wir das Gefühl für Zeit und Raum. Im asturischen Kulturzentrum LABoral wenden Ai Weiwei, Maurizio Cattelan, Jeppe Hein und Co. das ins Positive. Doch in die „Passagen“ sind einige doppelte Böden eingezogen.
LABoral, Gijón, bis 21. Februar

Paul Graham: „Fotografien“
Fotografie, wie sie der 1956 in England geborene Paul Graham betreibt, ist die Kunst, das Leben selbst als Bühne zu sehen. In den Hamburger Deichtorhallen werden elf große Serien aller Schaffensperioden gezeigt. Der Betrachter gewinnt den Eindruck, gerade ein Stück Zeitgeschichte, die 80er-, 90er- und Nuller-Jahre, durchlaufen zu haben. Angefangen hatte es 1981, als Graham in einer Dokumentation über die britische Nord-Süd-Nationalstraße Lkw-Fahrer oder Raststättenmitarbeiter porträtierte. Seit 2002 lebt der Fotograf in den USA; das Großprojekt „A Shimmer of Possibility“ ist in seiner Beiläufigkeit ein Gegenentwurf zu Cartier-Bressons „moment décisif“.
Deichtorhallen, Hamburg, bis 9. Januar

Valie Export: „Zeit und Gegenzeit“
Wer an Valie Export denkt, dem kommt vor allem das Frühwerk der Österreicherin in den Sinn: das „Tapp- und Tastkino“, die „Aktionshose: Genitalpanik“ oder die „Body Sign Action“. Mit der Doppelausstellung „Zeit und Gegenzeit“ will die Kuratorin Angelika Nollert parallel in Linz und Wien auf weniger bekannte Arbeiten und das Werk der vergangenen 20 Jahre hinweisen. Ihr Leibthema übertrug Export im „Salzburger Zyklus“ von 2001 ins digitale Medium, als sie Fotos von Krankenschwestern per Computer mit einer Krankenhausfassade verschmolz. Eine Fotoreihe erinnert an die Performance „Delta. Ein Stück“ aus den 70er-Jahren: Die Künstlerin persiflierte historische Gemälde und deren Geschlechterbilder.
Lentos Kunstmuseum, Linz; Belvedere, Wien, bis 30. Januar

„Free“
Im New Yorker New Museum ist zu erleben, wie aus immateriellen Datenströmen spannende Kunst werden kann. Kuratorin Lauren Cornell bildet die gesellschaftlichen Umwälzungen ab, die der Siegeszug des World Wide Web nach sich zieht. Jon Rafman isoliert aus Millionen von Google-Street-View-Aufnahmen verstörende Dokumentarfotos. Auch Trevor Paglen nutzt das öffentlich zugängliche Bilderreservoir, wenn er Satellitenaufnahmen von Militäreinrichtungen zu hochästhetischen Tableaus vergrößert. Andrea Longacre-White zeigt in ihrer Serie „Dark Current“ vielfach refotografierte und dadurch stark verfremdete Motive.
New Museum, New York, bis 23. Januar

Nancy Spero
Außer Louise Bourgeois im letzten Jahr ist im Oktober 2009 noch eine große Spätentdeckte der US-Kunst gestorben: Nancy Spero wird jetzt die erste französische Retrospektive gewidmet. Ihr Frauenbild war in die Zukunft gerichtet und tauchte die Vergangenheit in neues Licht. Frauen waren in den aus Zeichnungen, Collagen und Textelementen zusammengesetzten Papierfriesen von Nancy Spero treibende Kraft der Geschichte. Männerfiguren kamen ab 1974 nicht mehr vor. Zuvor hatte Spero in ihrer Serie zum Vietnamkrieg die geheime Verabredung zwischen Sex und Macht offengelegt. Von den Schriften Antonin Artauds inspirierte Arbeiten aus den Jahren 1969 bis 1972 sind in Paris ebenfalls zu sehen.
Centre Georges Pompidou, Paris, bis 10. Januar