Neue Kunstmesse in Frankfurt

Zu Gast im Hochhaus

Frankfurt am Main hat eine neue Kunstmesse: Bei House of Galleries tun sich lokale und auswärtige Galerien zusammen – und das an einem spektakulären Ort mit Aussicht auf die Stadt

Frankfurt am Main ist als Kunststandort vor allem für seine Institutionen bekannt, für die Museen und die Städelschule. Um auch den Galerien ein prägnantes Auftreten zu geben, gab es zuletzt Initiativen wie die Frankfurt Art Experience, die 2019 rund um den Saisonstart der Galerien etabliert wurde. Organisiert wird die FAE von der Offenbacher Agentur Urban Media Project, die jetzt auch eine eigene Kunstmesse konzipiert hat: das House of Galleries.

Die Messe bringt lokale Galerien mit Institutionen aus unter anderem Berlin, Bonn, Hamburg, Mannheim, Köln, Karlsruhe und London zusammen. Als Eventlocation konnte ein frankfurttypisch spektakulärer Ort gefunden werden: die ehemalige Vorstandsetage im 43. und 44. Stock des 1993 erbauten Trianon-Hochhauses. Höher hinaus geht vermutlich kaum eine andere Kunstmesse. Und einen repräsentativeren Leerstand dürfte man derzeit auch kaum finden.

Das Format von House of Galleries erscheint als passende Antwort auf die Messe-Müdigkeit, die sich unter etlichen Galerien breit gemacht hat. Standkosten schrauben sich in die Höhe, Hotels und Reisekosten belaufen sich auf teils doppelt so viel wie noch vor ein paar Jahren. Um überhaupt die Fixkosten reinzuholen, müssen auch große Galerien viel oder eben vor allem sichere Positionen verkaufen. Was mittelfristig auch noch dazu führt, dass Messen potenziell langweiliger werden. Auf die kleinen, lokaleren Formate freut man sich umso mehr.

Knapp ein Drittel der Frankfurter Galerien ist dabei

Die letzte Frankfurter Kunstmesse liegt inzwischen fast zwei Jahrzehnte zurück. "Als Galerie- und Kunststandort werden wir nur wahrgenommen, wenn wir uns öffnen", sagt die Galeristin Anita Beckers. "Wir Galerien sind sehr gut vernetzt und auf zahlreichen Messen in ganz Europa unterwegs. Nun ist es Zeit, dass man uns in unserer Heimatstadt Frankfurt besuchen kommt."

Das neue Format traf offenbar einen Nerv: Als es mit erstaunlich kurzem Vorlauf 2024 beschlossen wurde, wollten viele mitmachen. Knapp ein Drittel der Frankfurter Galerien ist jetzt dabei, plus jeweils eine Gastgalerie. Jede Galerie konzentriert sich dabei auf eine einzige Künstlerin oder einen Künstler. Ganz neu im Programm bei Jacky Strenz und frisch von der Städelschule ist Alexandra Tretter, deren bemalte Aluminiumtafeln erst kürzlich in der Galerie zu sehen waren. Für die Messe hat die junge Künstlerin eigens neue Arbeiten angefertigt.

Überhaupt bietet das House of Galleries die Gelegenheit, manche verpasste Ausstellung nachzuholen: Schierke Seinecke präsentierte gerade erst das Duo Banz & Bowinkel, das bekannt ist für seine digital generierten Szenarien. Jetzt sind die schwer in gängigen Kategorien zu fassenden Arbeiten zwischen fiktiver Fotografie und virtueller Realität im Trianon-Hochhaus zu sehen. Als Gast wurde die Bonner Galerie Judith Andreae eingeladen, die mit Lukas Glinkowski einen jungen Vertreter der materialübergreifenden Malerei mit viel Lust am Experiment präsentiert. Aus München angereist kommt die ebenfalls noch junge Galerie Nouveaux DeuxDeux: Sie zeigt den Tiroler Künstler Christopher Friess, der die historische Technik der Freskomalerei neu aufleben lässt.

Von expressivem Realismus bis zur Videokunst

Im Frankfurter Westend zeigt Die Galerie seit über 45 Jahren hochkarätige Ausstellungen mit den Schwerpunkten Malerei, Grafik und Bildhauerei. Jetzt präsentiert das Team um Galerist Peter Femfert mit Johannes Heisig eine klassische Position des expressiven Realismus. Eingeladen ist die Galerie Döbele Kunst aus Mannheim, die Landschaftsmalereien der Iranerin Mona Pourebrahim zeigt. Ebenfalls aus Iran stammt Alireza Varzandeh, der von der Galeristin Barbara von Stechow präsentiert wird. Seine Malerei basiert oft auf fotografischen Vorlagen und wird in zahlreichen Schichten aufgetragen und übermalt. Auf den deutschen Expressionismus spezialisiert ist der Frankfurter Kunsthandel Hagemeier, der zur Messe das facettenreiche Werk des US-amerikanisch-deutschen Malers und Grafikers Josef Scharl zeigt.

Um die Videokunst seit Jahrzehnten verdient gemacht hat sich die Frankfurter Galeristin Anita Beckers. Zur Messe präsentiert sie den Künstler John Sanborn, dessen Werk von Virtual Reality über experimentelle Videokunst bis hin zu Musikvideos für MTV reicht. Die eingeladene ASPN Galerie aus der Leipziger Baumwollspinnerei widmet sich der Videokünstlerin und Malerin Anaïs Goupy. Die Fotografie als Kunstform hat am Main in der Galerie Peter Sillem eine feste Adresse, die zur Messe Peter Bialobrzeskis oft bizarre, verstörende wie faszinierenden Bilder vom Wahnsinn des globalen Wachstums zeigt. Die eingeladene Partnergalerie Springer aus Berlin präsentiert eine Auswahl fotografischer Stillleben, ausnahmsweise von unterschiedlichen Künstlern interpretiert.

Im Bankettsaal des Trianon-Hochhauses werden die eklektisch farbigen Lichtobjekte von Stefan Wieland zu sehen sein. Der Frankfurter Künstler wird von PPC Philipp Pflug Contemporary vertreten und bringt die vermutlich besten, zumindest aber längsten assoziativen Werktitel mit. Ebenfalls in Frankfurt zu Hause ist der ehemalige Städel-Absolvent Hendrik Zimmer, der seine geometrischen Bilder aus bemalten Holzflächen mit einer eigens für diese Dimension eingerichteten Furnierpresse auf die Leinwand druckt. Er wird von der Galerie Heike Strelow präsentiert. Sie hat die Stuttgarter Galerie Thomas Fuchs eingeladen, die mit Carlo Krone einen jungen Maler zeigt, der sich Alltagsszenerien und -beobachtungen widmet.

Ein ehemaliger Städelschulabsolvent ist auch Ekrem Yalcindag, der Siebdruck, Holzdruck und Ölmalerei kombiniert. Er wird von der Galerie Kai Middendorff vertreten. Zu Gast sein wird die Galerie Klemm's aus Berlin mit Viktoria Binschtok, die für ihre Arbeit gefundene Bilder durch Suchmaschinen und Analysetools jagt und damit neu schöpfen lässt. Bernhard Knaus Fine Art zeigt die farbintensive Malerei des Schweizer Künstlers Giacomo Santiago Rogado und hat die Londoner Galerie Patrick Heide Contemporary zu Gast, die den Berliner Künstler Pius Fox mit seiner oft kleinformatigen Malerei präsentiert. Die Münchener Galerie Andreas Binder zeigt den spanischen Künstler Julio Rondo.

Aus Hamburg zu Gast ist die Galeristin Ewelyn Drewes, die vom Menschen inspirierte Skulpturen des Bildhauers Hirofumi Fujiwara mitbringt. Eingeladen wurde sie von der Frankfurter Galeristin Kerstin Leuenroth, die mit Christian Hellmich einen Maler aus ihrem Programm zeigt, der Architekturen, Farbe und Flächen in neue Anordnungen bringt. Wenige Häuser weiter befindet sich die Galerie Maurer, die nicht zuletzt für ihre feinsinnige Papierkunst bekannt ist. Zum House of Galleries zeigt Galeristin Brigitte Maurer gerissene Papierskulpturen von Angela Glajcar. Filigran sind auch die Installationen und Zeichnungen der Künstlerin Daniela Wesenberg, die von der eingeladenen Galerie Nanna Preußner aus Hamburg präsentiert wird.

Die Messe soll auch private Sammler oder Erstkäufer anziehen

Seit inzwischen 40 Jahren prägt die Galeristin Bärbel Grässlin den Kunstbetrieb dieser Stadt entscheidend mit. Sie zeigt den Wiener Künstler Franz West mit Möbeln und Objekten, während die eingeladene Galerie Meyer Riegger Malerei von Jan Zöller präsentiert. Wie West ebenfalls aus Österreich stammt Julian Turner, der von Grässlins Galerie für junge Kunst, der Filiale, gezeigt wird. Auf Einladung zu Gast sind Fiebach, Minninger: Die Kölner Galerie bringt Arthur Löwen mit, der selbst in Frankfurt lebt und arbeitet, wo er eine malerische, eigene Variante des Direktdrucks verfolgt.

Mit vielen jüngeren Positionen und auch etlichen Mid Market-Preisen soll die Messe auch private Sammler oder Erstkäufer jenseits der Bluechip-Kunst anziehen ( – die ist aber, siehe das Programm, ebenfalls vertreten). Ein weiterer Umstand könnte Lust aufs Kunstkaufen machen: Gerade erst wurde die Mehrwertsteuer auf Kunstverkäufe in Deutschland von 19 auf sieben Prozent gesenkt.