Personal fürs Humboldt Forum

Wo bleiben die anderen Stimmen?

Screenshot: Trailer "Black Panther"
Screenshot: Trailer "Black Panther"
Wakanda-Exilant Killmonger wird im Ethnologischen Museum gleich von einer weißen Kuratorin belehrt

Die Führung des Berliner Humboldt Forum ist weiß und männlich. Kann sie den europäischen Blick auf die ethnologische Sammlung brechen? Ein Kommentar

Es gibt eine Szene im Marvel-Blockbuster "Black Panther", in der der ambivalente Schurke Killmonger in einen Ausstellungssaal des "Museum of Great Britain" tritt. Im nur nachlässig verfremdeten British Museum erklärt ihm eine weiße Kuratorin höflich, aber distanziert einige afrikanische Artefakte in einer Vitrine. Killmonger, gespielt von Michael B. Jordan, erkennt darin ein von Europäern gestohlenes Vibranium-Messer aus seinem Heimatland Wakanda. Zusammen mit richtigen Bösenwichten richtet er ein Blutbad im Museum an und flieht samt Artefakt aus den heiligen Ausstellungshallen. Restitution in Comic-Manier.

Die Debatte um Raubkunst aus der Kolonialzeit ist jenseits der Kinoleinwand deutlich weniger actiongeladen – und zum Glück weniger blutig. Doch aus dem Film lassen sich durchaus Parallelen zu einer westlichen Museumslandschaft ziehen, in der der angemessene Umgang  mit ethnologischen Sammlungen vor allem von weißen Protagonisten diskutiert wird.

In den vergangenen Wochen haben Personalentscheidungen in Deutschland und den USA in der Kunstwelt wieder einmal für Aufregung gesorgt. Das New Yorker Brooklyn Museum hat die weiße Kunsthistorikerin Kristen Windmuller-Luna zur Kuratorin für seine Sammlung afrikanischer Kunst gemacht, und das Humboldt Forum in Berlin hat entscheidende Posten mit weißen, nicht mehr ganz jugendlichen Männern besetzt: Hartmut Dorgerloh soll Intendant werden, der Ethnologe Lars-Christian Koch Sammlungsleiter. Dass in dieser Woche die Humboldt-Universität auch noch Gorch Pieken als Kurator des Humboldt-Labors im Mitte-Schloss berufen hat, verstärkt den Eindruck der mangelnden Diversität bei einem zentralen Vorhaben der Kulturpolitik.

Das Berliner Prestigeprojekt ist mit Brooklyn nicht wirklich vergleichbar: Das Brooklyn Museum ist eine Institution mit über 100-jähriger Geschichte, während die Öffentlichkeit dem Humboldt Forum zunehmend ungeduldig bei seinem zähen Ringen um eine Identität zusieht. Auch lässt sich die polierte Berliner Mitte nicht mit Brooklyn gleichsetzen, wo eine multikulturelle Bevölkerung von weißen Hipstern verdrängt wird. Doch der Vorwurf an beide Ausstellungshäuser ist derselbe:  Hier haben die Kolonisierer das Sagen. Die nicht-europäischen Kulturen bleiben in den Vitrinen, ihre lebendigen Vertreter sind beim Führungspersonal nicht willkommen.

Der Umgang mit kolonialem Erbe geht alle an, die Geschichte hinterlässt Spuren bei Plünderern und Geplünderten, und es wäre zu bequem, das Thema ausschließlich an Nicht-Europäer abzugeben. Doch gerade beim Humboldt Forum, das das Zeigen von ethnologischen Sammlungen neu denken will, entsteht der Eindruck, dass Diversität vor allem behauptet statt praktiziert wird (das Bild der grauen Eminenzen ist schwer aus dem Kopf zu bekommen). Der ehemalige Leiter des British Museum und Gründungsintendant des Humboldt Forums, Neil MacGregor, hat kürzlich davor gewarnt, zum Humboldt Forum nur eine einzige Geschichte zu erzählen. Es gäbe viele Geschichten, die erzählt werden müssten – doch die Stimmen, die bisher aus dem halbfertigen Schloss dringen, sind die der Museumswelt, wie wir sie kennen: überwiegend weiß und männlich.

Das ist umso bedrückender, da sich die Umgebung des neuen Museums in einen neopreußischen Alptraum verwandelt. Hier wohnt reiches Bürgertum in Luxusappartments, die Werbeworte wie "Kronprinzen-" und "Prinzessinnenpalais" im Namen tragen. Daneben wächst ein Schloss mit barocker Schummelfassade, dessen nationalistische Grandezza so gar nicht mit der angestrebten Weltoffenheit zusammenpassen will.

Inzwischen fordert auch die langjährige Direktorin des Ethnologischen Museums in Berlin, Viola König, ein "radikales Umdenken" beim Humboldt Forum. Der Zeitung "Die Zeit" sagte sie, dass bei dem Projekt weiterhin der europäische Blick dominiere. Mit Personalentscheidungen wie den jetzigen wird sich das sicher nicht ändern.

Und doch zeigt die öffentliche Kommunikation des Humboldt Forums zumindest in den Nuancen ein gewisses Problembewusstsein. Bei der Ernennung des neuen Sammlungsleiters betonte Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, dass Lars-Christian Koch im Bewerbungsverfahren durch Expertise, Erfahrung, internationale Vernetzung und Enthusiasmus überzeugt habe. Vorher hatte die bereits gewählte Kandidatin Inés de Castro den Posten überraschend abgesagt. Koch sei von Anfang an ein gleichrangiger Kandidat gewesen, sagte Parzinger. Und dass so etwas einmal explizit über einen weißen Herren gesagt wird – und nicht einfach vorausgesetzt –  ist zumindest eine neue Facette in der Diskussion.