Igshaan Adams in Zürich

Gewebte Identitäten

Die Ausstellung des südafrikanischen Künstlers Igshaan Adams in der Kunsthalle Zürich offenbart sich als poetischer Raum mit einer enormen Anziehungskraft

Zahlreiche gewebte Werke an der Wand und auf dem Boden laden die Besucherinnen und Besucher der Kunsthalle Zürich zusammen mit den installativen raumgreifenden Skulpturen ein, sich den Objekten durch umherschweifendes Flanieren zu nähern. Dabei fühlt man sich nicht zu einem bestimmten Werk hingezogen, sondern wird gerade von der Topografie der Ausstellung als Gesamtkunstwerk gepackt. Die Frage des inneren Friedens steht dabei im Zentrum des Dargestellten. Igshaan Adams verarbeitet die erlebten Kindheitserfahrungen der Apartheid-Ära der 1980er-Jahre in Südafrika wie auch viele familiäre Erinnerungen. Aufgrund seiner malaiischen Wurzeln wurde der Künstler als "coloured" segregiert. Er wuchs als Muslim bei christlichen Großeltern auf und kam früh mit verschiedenen Religionen und kulturellen Anschauungen in Berührung.

Zum einen fokussiert sich Adams in seinem Œuvre auf die häusliche Umgebung. Beispielsweise dient ihm der Linoleumbodenbelag, der in vielen Häusern repräsentativ war und sich durch das ganze Haus zog, als Inspiration. Der Künstler untersucht durch Abnutzungsspuren die Wege, die im Laufe der Zeit in den Zimmern geschaffen wurden, je nachdem, wie die Menschen die Räume nutzten. Dadurch werden Bodenbeläge zu einem Abbild der Geschichte der Menschen, die sie bewohnen. Die vorgefundenen abstrakten Muster überträgt Adams in seine gewebten Wandarbeiten, so wie beispielsweise "Om Die Hoek" (Um die Ecke) (2020), ein gefranster Wandteppich in hellen Gelb- und Blautönen und zahlreichen fein eingearbeiteten Glasperlen veranschaulicht.

Zum anderen ist der Außenraum eine zentrale Referenz, denn die künstliche Abgrenzung verschiedener Kulturen und Gruppen durch designierte Außenräume war trauriger Alltag. Dementsprechend orientiert sich die Ausstellung räumlich an sogenannten "Dream Lines" oder "Wunschlinien". So werden Spuren genannt, die Personen in einer Landschaft hinterlassen, wo es keine Wege gibt. Die Inspiration kommt von den Verbindungslinien des damaligen Trennstreifens zwischen den Townships Bonteheuwel und Langa in Kapstadt, wo zwei Gemeinschaften ansässig waren, die sich aus rassistischen und religiösen Gründen gegenüberstanden. Oft sind es Abkürzungen oder eben Wunschlinien, die die Entschlossenheit zeigen, einen neuen, eigenen Weg einzuschlagen. Diese Wunschlinien kommen in Adams' Praxis stark zum Tragen, da er sich von homogenen Identitätskonstruktionen zu befreien sucht. Dabei ist Bewegung sowohl mental wie auch physisch immer zentral – davon zeugt auch der Ausstellungsaufbau rund um die gleichnamige grossflächige Installation "Kicking Dust".

Weben als heilender Prozess

Igshaan Adams unterstreicht die Bedeutung dieser Wunschlinien als materielle Manifestierungen von Sehnsüchten und Zielen, nach Freiheit und der Überschreitung von Grenzen. Dabei versucht er seine eigene Geschichte aufzuarbeiten, indem er die kollektive Geschichte der Gesellschaft im damaligen Südafrika in den Fokus seiner Praxis rückt. "Kicking Dust" biezieht sich auf sogenannte Rieldans-Tänze, den der Künstler bei dem Besuch seiner Großeltern am Nordkap beiwohnte. Bei der rituellen Zeremonie treten die Tanzenden auf trockenen Boden und lassen dabei große Staubwolken im Sonnenuntergang aufsteigen. Die bewegenden wolkenartigen Gebilde werden in der Ausstellung von in der Luft hängenden Skulpturen aus Draht und Perlen repräsentiert. Adams unterstreicht, wie Staubaufwirbeln den Menschen konstituiert aber auch in den Hintergrund rückt, denn der Mensch kommt aus dem Staub und wird wieder zu Staub. Die faszinierende Schönheit und transzendente Wirkung dieser eigentlich flüchtigen Objekte werden dabei von den Skulpturen sehr greifbar repräsentiert.

Im Prozess der Kartierung von Räumen kontextualisiert Adams auch den meditativen Prozess des Webens. Als traditionelles Handwerk, kann es zugleich im Alltag wie auch in der Kunst verortet werden. Weben ist sehr zeitintensiv und beansprucht Konzentration und Geduld. Obwohl gewebte Skulpturen mit Wäscheleinen oder einfachen Kostümperlen hergestellt werden können, verwandeln sich diese günstig produzierten aber sehr sorgfältig geschaffenen Objekte zu luxuriös anmutender Schönheit. Die Praxis des Webens beinhaltet eine Transparenz, die alle einzelnen Teile des Objekts sichtbar erscheinen lassen. In ihrer Gesamtheit erzählen diese Details eine neue Geschichte, ohne die Bedeutung der Einzelteile aufzulösen.

Adams schafft es brillant mit seinen immersiven Skulpturen Räume zu inszenieren. Dabei laden diese ein, Erfahrungen von Identität zu reflektieren und dabei auch die sozial-politischen Komponenten von Bewegung und Ästhetik im Alltag zu in den Blick zu rücken.