Im neu gestalteten Düsseldorfer K21 treffen Klassiker auf Zeitgenossen. Crossover? Ja, aber ohne jede Gier nach Sensationen

Die alten Türschilder sind noch nicht vollends abmontiert, aber viel Wegleitung ist von K20 und K21 nicht mehr versprochen. Bislang standen die Zahlen für Vergangenheit und Gegenwart, doch so strikt will man das im aktualisierten Layout der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen nicht mehr halten. Die neue Direktorin Marion Ackermann denkt an flexible Kooperationen zwischen den beiden Spielstätten, der Hauptbühne am Grabbeplatz und der Galerie im Ständehaus. Während das renovierte K20 noch bis in den Sommer auf seine Wiedereröffnung warten muss, findet im K21 schon einmal „Silent Revolution“ statt.

Höflich werden die Generationen dort an die festlich gedeckten Tafeln gebeten, neugierig lauscht man ihren Gesprächen. Paul Klee plaudert mit Nam June Paik über die Weltsprache Musik, George Braque ist neben Richard Deacon platziert worden – oder war es umgekehrt? George Grosz trifft auf Bernd und Hilla Becher, Gerhard Richter hat es mit Mondrian zu tun bekommen, Thomas Schütte scheint sich mit Picasso rasch einig, was den plastischen Gewinn vollschlanker Frauenkörper angeht. Man kann nicht allerorten sagen, dass die gepflegte Unterhaltung gleich wort- und gedankenreich ausfiele. Aber dass die Tischordnung nicht erlesen sei, nicht getragen von Feinsinn und Respekt, ließe sich auch nicht behaupten.

Man ist ja von „Crossover“ ziemlich vorgewarnt. Der Swingerklub, in den sich so manche ehrwürdige Museumssammlung verwandelt hat, brachte die leichthändige Auflösung der alten Ordnungen arg in Misskredit. Die neue Hängung im Düsseldorfer Ständehaus, ganz ausdrücklich als temporäre deklariert, versagt sich alle Spielchen. Das ist sehr zu rühmen. Nachdenklich, behutsam geht Marion Ackermann mit Schmalenbachs Erbe um, verrät die starken, selbstgenügsamen Bilder nirgendwo an das geistlose Entertainment. Es gibt keinen Aufprall, keinen Crash, nur um der Sensation des Blechschadens willen. Solche Spektakel, die anderswo vor dem mittelalterlichen Flügelaltar Jeff Koons’ rosaroten Panther zur Aufstellung bringen, würde man hier vergeblich suchen.

Die neue Direktorin will auch kein neues Stück schreiben. Vorgeführt wird nichts anderes, als dass die alte Akteinleitung nicht immer so bleiben muss, wie sie ehemals vereinbart wurde. K20 und K21 hieß bis dato klare Arbeitsteilung. Am Grabbeplatz die klassische Moderne bis in die 70er-Jahre, im Ständehaus alles von den 80er-Jahren an. Das hat durchaus funktioniert, aber es steht nirgends geschrieben, dass innerhalb der geräumigen Wohnung nicht auch einmal umgezogen werden darf. Nun ist es tatsächlich so, als käme man in ein neues Haus. Zum ersten Mal hängen hier ausgewählte Klassiker der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen und teilen sich die Räume mit Arbeiten aus der Kollektion zeitgenössischer Kunst.

Sieht man einmal von den großen Blöcken wie der fülligen Klee-Gruppe ab, dann haben rund 80 Prozent der Bestände einen Wandplatz gefunden. Und es zeigt sich jetzt, dass auch in diesem Haus die nicht mehr ganz so junge Kunst ganz wunderbare Auftritte haben kann und sich mit den jungen Eingeborenen bestens verträgt. Kandinskys „Komposition IV“ zusammen mit Joseph Beuys’ Basaltblöcken („62,2 Grad Winkel“), das ist ein derart starkstromgeladener Doppelpass, dass man sich unwillkürlich fragt, warum die Nachbarschaft nicht schon früher erprobt wurde. Die Dinge fügen sich meist leicht und ohne sichtliche Anstrengung. Jedenfalls entsteht in keinem Raum der Eindruck, als sollte wieder einmal kuratorische Macht über die wehrlose Kunst demonstriert werden. Und sie fehlt gänzlich, jene regietheatralische Ranküne, die schon am Inszenierungsziel angekommen ist, sobald sie formale Übereinstimmungen entdeckt. Man muss auch nicht lange grübeln, was wohl gemeint sein könnte, wenn man im Kabinett der späten Kandinsky- Bilder unvermittelt vor Jeff Walls Leuchtkasten steht, in dem Mies van der Rohes „Barcelona-Pavillon“ einer gründlichen Reinigung unterzogen wird.

Die zugänglichen Saaltexte helfen verlässlich, sollte wirklich einmal Verlegenheit aufkommen. Hier empfehlen sie, ein wenig über Ordnung und Chaos nachzusinnen. Aber es geht genauso gut, sieht man auf die rigide Säuberungsbemühung da und dort. Es ist ein gescheites Bonmot über die Moderne. Moderne, gleichsam von ihren Anfängen wie von ihrem Ende her betrachtet.

Dass die Räume nur von den umlaufenden Gängen aus zu erreichen sind und nur wenige eine Verbindung untereinander besitzen, lässt das Ausstellungserlebnis immer wieder stocken. In der neuen Präsentation kommt die Zellenanordnung den ereignishaften Begegnungen eher entgegen. Tatsächlich wird so noch viel deutlicher, wie sehr diese unvergleichliche Sammlung aus ranghohen und ranghöchsten Einzelarbeiten besteht und nichts duldet, was nur Platzhalter oder Lückenfüller wäre. So verlieren Max Beckmanns „Nacht“ und Thomas Hirschhorns Modell eines vermüllten Zweifamilienhauses nichts von ihrem Selbstbewusstsein, wenn man aus ihrer dunklen Zeichenhaftigkeit auratische Schnittmengen gewinnt.

Der eine lässt den anderen bestehen, hebt ihn nicht auf und tut ihm keinen Schaden an. Vielleicht ist aus ihrem Nebeneinander auch gar nicht so viel zu lernen. So wenig wie von Katharina Fritschs Monstermaus auf dem Bauch des Schläfers, hinter deren Rücken nun Magrittes frivoles Mädchen in den Vogel beißt („Le plaisir“). Und doch herrscht die unmittelbare Gewissheit, dass da genuine Partner zusammengefunden haben.

Selbst Reinhard Muchas Großinstallation „Deutschlandgerät“, um deren Disponibilität es so viel Streit gab, ist in die Neueinrichtung einbezogen. Marion Ackermann hat ihr einen italienischen Zaungast anvertraut, ein kleines Morandi- Stillleben, hoch oben auf der umlaufenden Galerie. Eine kostbare Referenz und der zartestmögliche Resonanzboden für die kolossale Stille unten. Es ist von großem Reiz, wie hier angestammte Kontexte aufgebrochen werden und die Kunst mit Geschichten animiert wird, die allein aus ihren Begegnungen stammen. Solche Geschichten sind durchaus legitimer Ersatz für die Unmöglichkeit, die Kunstchronik des 20. und 21. Jahrhunderts noch einmal als lineare Abfolge nachzuzeichnen.

Dass die Dinge durcheinandertönen, daran hat sich der Museumsbesucher längst gewöhnt. Von geheimen Konsonanzen lässt er sich umso lieber erzählen.

K21, Düsseldorf, bis 13. Juni