Nomaden in Iran

Immer weiterziehen

Die Fotografin Ramona Razaghmanesh hat iranische Nomadenfamilien vom Volk der Qashqai fotografiert. Ihre Porträts zeigen Menschen, die ihre Traditionen verteidigen, obwohl ihr Lebensstil vom Aussterben bedroht ist

Es ist eine Spannung zwischen Kargheit und Opulenz, die die Serie "Qashqai" der Berliner Fotografin Ramona Razaghmanesh zusammenhält. Trocken salzige Berglandschaften in blassen Erdtönen, bescheidene Zeltbehausungen, die fast mit der Umgebung verschmelzen, gleichzeitig aber prächtige farbige Stoffe und Kleider, eine bunte Mahlzeit auf ornamentierten Decken, eine Girlande aus Troddeln vor milchig blauem Himmel.

Ramona Razaghmanesh hat für ihre Diplomarbeit im Fach Kommunikationsdesign an der Hochschule Darmstadt iranische Nomaden vom Volk der Qashqai fotografiert. Sieben Wochen verbrachte sie in der Wüstenregion Bushehr im Süden von Iran. Sie lebte zusammen mit mehreren Familien in ihren Zeltlagern und dokumentierte ihren Alltag genauso wie festliche Zeremonien. "Durch die Fotografie habe ich die Möglichkeit, Geschichten über Menschen aus den unterschiedlichsten Völkern zu erzählen, die weit entfernt vom urbanem Leben existieren", sagt Ramona Razaghmanesh. 

Die turksprachigen Qashqai leben seit 700 Jahren in Iran. Wie viele von ihnen es heute gibt, lässt sich schwer feststellen. 1980 ging man von etwa 30.000 Familien aus, was um die 400.000 Menschen entspricht. Heute sollen es 1 bis 1,5 Millionen sein, wobei nur noch eine Minderheit von ihnen nomadisch lebt. Die, die noch umherziehen, verlassen meist im April ihr Winterlager südlich der Stadt Schiraz und ziehen in ihre Sommerquartiere im Zagrosgebirge.

Die Menschen lassen sich nicht aus der Landschaft herauslösen

Ramona Razaghmanesh hat interessiert, wie die Menschen, die sie besucht hat, ihren traditionellen Lebensstil aufrecht erhalten, obwohl die iranische Regierung sie immer wieder zur Sesshaftigkeit gezwungen hat und die meisten Angehörigen ihres Volkes inzwischen in Dörfern leben. Traditionen und Geschichten werden bei den Qashqai oft in Form von Liedern und Geschichten an die nächste Generation weitergegeben. Die Fotografie kann also nur einen Teil der Kultur einfangen, ein essenzieller Teil bleibt ephemer. Auch das Teppichknüpfen spielt für die Qashqai eine große Rolle.

Ramona Razaghmanesh
Foto: Ramona Razaghmanesh

Ramona Razaghmanesh


"Ich bewundere Nomaden für ihre Freiheit und die ruhige Umgebung, in der sie leben", sagt die Fotografin. "Allerdings fühlen sich viele von den Qashqai-Nomaden isoliert und sehnen sich nach einem Leben außerhalb des Nomadentums". Gerade junge Menschen träumen von der Stadt, gleichzeitig hat Ramona Razaghmanesh auch einen jungen Lehrer kennengelernt, der sich bewusst für das Unterrichten in einer Nomadenschule entschieden hat, um seinen Schülern eine bessere Zukunft zu ermöglichen. 

Die Fotografin porträtiert in ihrer Serie sowohl die Menschen als auch die iranische Berglandschaft, die sie umgibt. Die Qashqai lassen sich nicht aus ihrer Umgebung herauslösen. Viele der Porträts zeigen Frauen und junge Mädchen, die die Familien zusammenhalten - und die wichtigsten Aufgaben des Zusammenlebens übernehmen. Sie versorgen die Kinder, kochen die Mahlzeiten, hüten die Tiere und stellen aus deren Wolle Teppiche her. Ramona Razaghmaneshs Fotos zeigen die Schwieirigkeiten des Alltags der Qashqai, aber auch die explodierenden Farben bei Festen und Ritualen. Ihre Modelle schauen oft mit festem Blick direkt in ihre Kamera. Die Bilder sollen eine Lebensart von Menschen dokumentieren, die um ihren Platz im 21. Jahrhundert kämpfen. Die sich weigern, zu verschwinden.