Schirn Kunsthalle Frankfurt

Immobilie in der Krise

Bagger picken an der Ruine des Technischen Rathauses, vorsichtig und Etage für Etage, denn hier ist die Frankfurter Innenstadt so dicht bebaut, dass nur ein sogenannter „Filigranabriss“ das klobige Gebäude beseitigen kann. Mit feinen Mitteln banale Architektur dekonstruieren – einen ähnlichen Ansatz wählt auch Mike Bouchet mit seiner Ausstellung „Neues Wohnen“ nebenan in der Kunsthalle Schirn.

Vergangenes Jahr hatte der in Frankfurt lebende Amerikaner auf der Venedig-Biennale sein Readymade „Watershed“ vorgestellt: Ein Einfamilienhaus, wie es in einem amerikanischen Vorort stehen könnte, sollte in den Docks des Arsenale schwimmen. Es sank aber überraschend bis auf Traufhöhe und lag eine Woche lang auf dem Grund der Lagune. Dieser Zwischenfall machte dieses Kunstwerk noch hintergründiger: Es erzählte nun nicht allein von unserer durch Standards strukturierten Erfahrung, sondern landete unversehens bei der Pointe, wie schnell doch das Triviale ins Existenzielle umschlagen kann. Die US-Immobilienkrise und die Katastrophe nach dem Hurrikan „Katrina“ echoten durch die Lagunenstadt.

In der Schirn nun das nächste Kapitel: Der Künstler hat das zweistöckige Fertigbauhaus mit Motorsäge und Axt auseinandergenommen und die teilweise mit Muscheln und Algen überzogenen Einzelteile fein säuberlich auf 15 Paletten gestapelt. Jetzt hat die mobile Immobilie genau das Format, das sie bei ihrer Lieferung besaß – denn Paket bist du, und zum Paket wirst du zurückkehren. Bei der riesigen Bodenskulptur, die nach dem Namen dieses Eigenheimmodells „Sir Walter Scott“ betitelt ist, vermischen sich nun Innen und Außen, Anfang und Ende, Produkt und Prozess.

Mike Bouchet knüpft damit gekonnt an frühere Arbeiten an, mit denen er industrielle Fertigungs- und Konsumzyklen miteinander kurzschloss. So ließ er etwa 2004 in Kolumbien Jeans schneidern und über dem Herstellungsort abwerfen, produzierte seine eigene Cola-Marke oder verkaufte auf einem Pariser Markt „Canburger“, in Dosen konservierte Hamburger.

Auch in Frankfurt benutzt er Repräsentationsformate der Warenwelt: In einem zweiten Raum hat er ein Büro eingerichtet, das Swimmingpools anbietet (leider wird die Inszenierung gestört durch Musik, die aus der benachbarten „Zelluloid“-Ausstellung durch die Wand schallt – eine Nachlässigkeit, die im Gegensatz zum überraschenden Sinken des Hauses in Venedig nicht zur Verbesserung des Kunstwerks beiträgt). Schon früher hat Mike Bouchet Pools entworfen, die auf den Charakter bekannter Persönlichkeiten zugeschnitten waren. Hier nun preist er in renderings Schwimmbecken an, die geflutete Negativformen der Häuser sind, neben denen sie in die Erde eingelassen werden. Ein Entwurf eines Riesenpools entspricht dem Schirn-Bau. Die Bagger, die am Technischen Rathaus zugange sind, können gern weiter in die Tiefe graben.

Bis 12. September